„Wie fühlt es sich an, am Leben zu sein, Hamburg?“ Danke, gut, James Hetfield! Bei Metallica im HSV-Stadion gab‘s ordentlich auf die Ohren.

Hamburg-Altona. "Welcome Home", Metallica! Die Schatten rund um die Imtech-Arena, sie sind noch etwas dunkler als sonst an diesem noch sonnigen Mittwochnachmittag. Trotz zunehmender Bewölkung: In schwarzen Metal-Bandshirts und mehr oder minder sorgfältig benähten Kutten schwitzt man nun einmal mehr als in "normalen" Klamotten.

Wobei, wenn Normalität durch Mehrheit bestimmt wird, ist heute schwarz und martialisch die Norm. Für die Masse Mensch, die in Richtung Stadion zum ausverkauften Metallica-Konzert pilgert, ohnehin. Die leicht verdattert dreinschauenden Pendler in der S-Bahn, sie werden einfach eingemeindet. Oder, wie es James Hetfield einige Stunden später zur Begrüßung formuliert: "Wie fühlt es sich an, am Leben zu sein, Hamburg?"

Während aber der eine oder andere Anzugträger mit gelindem Neid zu den Fanclubs mit Einheits-Shirt hinüberschielt, zu den Pärchen (deren weibliche Hälfte zumeist den Farbtupfer darstellt, gern in blutrot oder unschuldigem weiß) und den losen Grüppchen junger und nicht mehr ganz so junger Metalfans, scheint für den Menschen am Bierstand Heavy Metal ein Fremdwort zu sein. Zeit-, Durst- und Kleingeldvertreib bis zum Einlass, bis zu Ghost, Mastodon, Slayer und Metallica erkauft man sich zwischen Arena und O2 World mit New Wave, Classic Rock und - man kann es nicht besser beschreiben - "dem Besten der 80er und 90er".

Aerosmith, Héroes del Silencio und Co. werden irritiert bis belustigt zur Kenntnis genommen, die letzte Hürde auf dem Weg ins gelobte Land der krachenden Riffs, der donnernden Bassläufe und die Magengrube erschütternden Schlagzeug-Kanonaden. Als AC/DCs „TNT“ aus den Boxen schallt, kassiert der Musikverwirrte immerhin einige in die Höhe gereckte Metal-„Teufelshörner“. Und dann findet er sogar noch eine Metallica-Single: Zwar nur die "St. Anger", aber immerhin.

Wichtiger ist ohnehin, was drinnen passiert, also lässt sich niemand die Laune verderben. Als Uneingeweihter mag einem das zwar nicht so vorkommen. Aber hinter großen Mengen Wegbier und Slogans, die Tod und Teufel versprechen, stecken 50.000 bestens gelaunte Menschen. Zu Recht, denn Hetfield und Konsorten halten alles ein, was das Wort Metallica verspricht.

Seit dem Nachmittag strömen sie zum Stadion am Stadtrand, erst langsam, dann mit Macht. Und auch, wenn die Meisten in erster Linie hier sind, um "Battery", "Enter Sandman" und "Seek & Destroy" live zu hören: Es gibt noch mehr Gedängel auf die Ohren. Die maskierten Metal-Kleriker Ghost wirken zwar im strahlenden Sonnenschein etwas verloren auf der monströsen Bühne.

Und was ein echter Thrash-Metaller ist (nicht Trash, mit Müll hat das nichts zu tun), dem scheinen die melodischen, getragenen Songs der Schweden vielleicht auch etwas weichgespült. Aber Papa Emeritus II. und seine Namenlosen Ghoule geben sich alle Mühe, die schmale halbe Stunde, die ihnen als Auftakt gegönnt wurde, mit Leben zu füllen.

Ein gutes Stück härter kommen als nächstes die Herren von Mastodon um die Ecke: Ob man es nun in die Math- oder Hardcore-Schublade, in die des Progressive Metal oder des Sludge stopfen möchte, ist nachgerade egal. Hauptsache laut. Die wunderbar grollenden, dicht gepackten Klänge wabern durch das Rund und erwecken viele, die bis gerade noch primär mit der Suche nach Getränken oder dem Aktualisieren der einschlägigen sozialen Netzwerke beschäftigt waren.

Laut ist überhaupt ein gutes Stichwort. Schließlich ist gleich die Hälfte der „Big Four“ des Thrash Metal an diesem Abend anwesend. Neben Headliner Metallica geben sich auch Slayer die Ehre: „Raining Blood“ gerät zum Glück nicht zur Wettervorhersage, weder Blut noch sonst irgendetwas tropft vom Himmel – mal abgesehen vom einen oder anderen im Überschwang der Gefühle in die Menge gefeuerten halb vollen Bierbecher.

Und dann, mit dezenter Verspätung um 21 Uhr, steht die Zeit still. Die nächsten zweieinhalb Stunden gehören einzig und allein James Hetfield, Lars Ulrich, Kirk Hammett und Robert Trujillo. Was draußen passiert, ist egal. Dass sich die Sonne mittlerweile mit Nachdruck verabschiedet hat, es stattdessen schauert, egal. Willkommen in der brülllauten Metal-Zeitschleife, die das Grinsen dem gesamten Rund ins Gesicht tackert.

Der lang erwartete Beginn der Hauptattraktion hat übrigens noch einen Vorteil: Die reichlich nervigen Video-Einspieler, in denen die Herren einen mit Macht davon überzeugen möchten, mit einer teuren SMS den Song des Tages auf die Setliste zu wählen, sie haben auch erst einmal ein Ende. Denn wer "Whiskey in the Jar" in die vorher via Internet-Abstimmung festgelegte Setliste bringt, dem ist wahrscheinlich auch egal, ob nun "Blackened" oder "Fuel" das Rennen macht.

Aber man will ja auch nicht stänkern. Allen Erwartbarkeiten, aller merkantilen Auswüchse zum Trotz ist es schön hier. Schön, dass Metallica da ist, schön, dass die Menschen sich freuen. Und schön, dass mit "Battery" und "Master of Puppets", diesem überlangen, unkaputtbaren Monster von Song, gleich die ersten Pflöcke eingeschlagen werden, die das Superlativ dieses Arena-Konzerts untermauern. Man ist versucht, sich zu verneigen vor diesen Helden des Metal. Ach, was heißt versucht: Chapeau, Metallica. Danke.