Hamburg. Sebastian Kneuer, MartinTingvall, Joja Wendt und Axel Zwingenberger proben für den Pianosommer in der Staatsoper.

„Das Klavier ist das vollkommene Instrument“, sagt Sebastian Knauer. „Melodien und Harmonien können extrem verfeinert werden. Außerdem enthält es viele perkussive Möglichkeiten“, ergänzt sein Kollege Axel Zwingenberger. Zusammen mit Martin Tingvall und Joja Wendt werden Knauer und Zwingenberger vom 29. August an gemeinsam den Hamburger Pianosommer gestalten. Vier Pianisten, vier Persönlichkeiten – und alle sind in Hamburg geboren oder leben hier. „Das ist schon ein Glücksfall, dass es in Hamburg so viele erfolgreiche Klavierspieler gibt“, bemerkt Joja Wendt und fügt lachend hinzu: „Und Axel ist einer meiner frühen Helden gewesen.“ Die stilistischen Unterschiede innerhalb des Quartetts sind groß. Jeder steht für ein anderes Genre.

Jazz und Klassik treffen aufeinander

Sebastian Knauer (45) ist der Klassikinterpret dieser Viererbande. Seine drei Mitstreiter kommen alle aus dem Jazz, wenngleich auch sie klassisch ausgebildet sind. „Ich wollte eigentlich Konzertpianist werden, bin dann aber doch beim Jazz gelandet“, erzählt der Schwede Martin Tingvall. Beim Interview im Steinway-Haus kommt der 42-Jährige in spitzen silbernen Stiefeln, wie sie Rockstars als Bühnenoutfit tragen. Aber Tingvall ist auch musikalisch ein Nonkonformist. Tingvall steht für zeitgenössischen Jazz. Doch er sagt, dass ihm Komponisten wie Arvo Pärt oder Edvard Grieg näher sind als Miles Davis oder Keith Jarrett. Er ist als Einziger nicht in Hamburg geboren, lebt aber seit vielen Jahren in der Hansestadt.

Auch Joja Wendt (52) hat sich als Kind und Jugendlicher mit Klassik beschäftigt. Studiert hat er in Holland und New York Jazz-Piano. Wenn er über sein Instrument spricht, kommt er in eine geradezu rauschhafte Begeisterung. „Das Klavier hat mich von klein auf fasziniert. Was für ein Klang!“ Genauso angetan war er als Jugendlicher, als er das erste Mal in Hamburg Vince Weber und Axel Zwingenberger auf der Bühne gesehen hat. „Die haben die Bude gerockt!“, schwärmt er. Axel Zwingenberger (61) neben ihm schmunzelt angesichts der Lorbeeren.

Er hatte sein Erweckungserlebnis als Teenager, als er durch einen Zufall alte Schellackplatten mit Boogie-Woogie-Pianisten gehört hat. „Ich war total begeistert. Aber wie spielt man das? Wie hält man den Beat mit der linken Hand? Das war mir mit meiner klassischen Ausbildung überhaupt nicht klar“, erzählt er. Auch er gerät in eine euphorische Stimmung, wenn er an seine Konzerte denkt. „Ich will nicht nur zeigen, dass ich acht Stunden geübt habe und das Können wie ein Roboter abspiele. Man muss den Spaß spüren. Musik ist die Sprache der Seele.“ Seine Mitstreiter nicken zustimmend.

Jeder hat seinen eigenen Sound

Zur Zeit sammeln die vier Virtuosen Ideen, schicken sich per E-Mail Stückvorschläge und treffen sich zu gemeinsamen Proben – was angesichts ihrer randvollen Terminkalender nicht so einfach ist. „Eigentlich sind wir wie vier Combos. Jeder hat seinen eigenen Sound mit unendlich vielen Möglichkeiten. Aber es geht nicht darum zu zeigen, wer der Schnellste oder wer der Beste ist. Wichtig ist enge Kommunikation zwischen uns“, erläutert Tingvall. „Denkbar ist, dass Sebastian mit einem Stück anfängt. Ich übernehme dann und führe es im selben Geist weiter, dann kommt Martin und improvisiert in derselben Tonart, dann ist Axel dran. Am Ende spielen wir dann zu viert. Die Musik ist immer der Chef“, führt Joja Wendt aus. „Natürlich wird auch jeder zeigen, was er kann und wo er zu Hause ist. Jeder verfügt über eigene Ausdrucksformen. Aber das Besondere wird das Mirakel der Begegnung sein“, ergänzt Zwingenberger. Improvisation ist für die drei Jazzer eine Selbstverständlichkeit, lediglich Sebastian Knauer begibt sich auf glattes Terrain: „In der Klassik ist jede Veränderung an der Vorlage ein Makel. Ich bin kein Improvisationskünstler. Aber ich habe keine Scheu davor, mich zu öffnen.“ Der Klassik-Virtuose ist der zurückhaltendste dieser vier Musikerpersönlichkeiten. Aber wenn es ans Frotzeln geht, glänzt er mit pointierter Schlagfertigkeit.

Konzert ohne Klamauk

Wenn die vier Pianisten am 29. August auf die Bühne der Staatsoper kommen, werden sie auf nur zwei gegenüber gestellten Flügeln musizieren. „Vier Flügel wären zu viel. Man braucht Transparenz und muss die anderen noch hören können. An zwei Instrumenten können sich Fraktionen bilden“, sagt Boogie-Woogie-König Zwingenberger. So wie die vier sich im Interview die Bälle zuwerfen, wollen sie auch auf der Bühne aufeinander reagieren. Nicht geplant ist irgendeine Form von Klamauk oder Comedy. „Das Programm soll uns und natürlich auch den Zuschauern Spaß machen. Wir gehen aber sehr ernsthaft an das Projekt heran“, so Knauer. „Die Musik ist stark genug.“

Hamburger Pianosommer Mo 29.8. bis
Mi 31.8., jeweils 20.00, Staatsoper (U Gänsemarkt), Große Theaterstraße 25, Karten ab 27,30 (plus Gebühren bzw. Versandkosten)
in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer
Burstah 18–32 oder unter T. 30 30 98 98