Hamburg. Ensemble Resonanz feierte den Komponisten Ligeti im Feldstraßen-Bunker. Die Hütte ist brechend voll – mit erfrischendem Publikum.
Mit dem Format „Urban String“ hat das Ensemble Resonanz einen Nerv getroffen. Elfeinhalb Jahre nach der Premiere ist die Reihe ein Selbstläufer. Auch dann, wenn Neue Musik auf dem Programm steht, wie beim Abend „ligeti 100“, wird die Hütte brechend voll. Da sitzt und steht ein erfrischend gemischtes Publikum, mit einer Bandbreite von der Schülerin über die Generation Hipster und Middle-Ager bis zum Rentnerehepaar.
Das Erfolgsrezept? Eine coole Location wie der Resonanzraum im Feldstraßen-Bunker, zentral gelegen und spießerverdachtsfrei. Nackte Betonwände, Holzfußboden, Discokugel. Und: kein Dresscode, keine überholten Benimmregeln. „Urban String“ hat den Ritual-Ballast abgeworfen, den die Klassik-Welt früher mal mit sich herumgetragen hat. Selbst die Bar ist geöffnet.
Das Programm gratuliert György Ligeti zum 100. Geburtstag
Und trotzdem geht’s um die Musik. Sie steht im Zentrum. Als Juditha Haeberlin und Gregor Dierck auftreten, brandet Beifall auf, dann wird’s still. Die beiden spielen Ligetis „Ballada si jok“ für zwei Violinen, ein Stück mit herrlichen Melodien und knackigen Rhythmen.
Ein starker Auftakt zum Programm, das György Ligeti zum 100. Geburtstag gratuliert. Tom Glöckner, Geiger im Ensemble Resonanz, hat das Ganze ausgeheckt. Er führt durch den Abend, kenntnisreich, spleenig und hintersinnig. Ganz Ligeti-like. Glöckner erzählt, wie ihn der Komponist mit seiner Neugier fasziniert. Er bedankt sich beim 2006 verstorbenen Jubilar. Aber ohne vor Ehrfurcht auf die Knie zu sinken. Es ist eine Hommage auf Augenhöhe.
„Urban String“ holt Ligeti in die Gegenwart. Der rumänische DJ und Komponist Horațiu Șerbănescu hat Auftragswerke geschrieben, in denen er Motive von Ligeti weiterspinnt und in seine Klangwelt integriert, mit der Besetzung von Streichquintett und Keyboard.
Die Diskokugel glitzert – Menschen lauschen und staunen
Auch Ligeti selbst hat sich ja für neue Sounds interessiert und dabei mit den Grenzen der Wahrnehmung gespielt. So wie im „Poème symphonique“, das 100 Metronome asynchron um die Wette klackern lässt. Oder im Cembalostück „Continuum“, von Petteri Pitko supervirtuos gespielt, bei dem die Töne so schnell übers Trommelfell flimmern, dass sie zu einer Klangfläche verschwimmen. Genial.
Șerbănescu nimmt einen Triller vom Cembalo mit dem Synthesizer auf, entführt ihn in elektronische Sphären. Kurz schwebt die Atmosphäre von Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ durch den Raum. Jener Kultfilm, dessen Soundtrack sich (ungefragt) bei Ligeti bedient und ihn berühmt gemacht hat. Die Diskokugel glitzert. Menschen lauschen und staunen.
So geht urbane Musikkultur.