Hamburg. „Und wer nimmt den Hund?“ eröffnet die neue Spielzeit in der Komödie Winterhude – mit den TV-Stars Marion Kracht und Michael Roll.

Fragt die Therapeutin: „Haben Sie kommuniziert, miteinander geredet?“ Sagt Sie: „Fast nie.“ Sagt Er : „Permanent!“ Schon dieser kurze Wortwechsel mitsamt seinem komischen Widerspruch zeigt, dass zwischen Doris und Georg in gut einem Vierteljahrhundert Ehe wohl nicht alles glatt gelaufen ist.

Und schon ist das Publikum Augen- und Ohrenzeuge eines offenen Scheidungsstreits, in dem die Funken sprühen und die Fetzen fliegen. Bis hin zur Frage: „Und wer nimmt den Hund?

„Und wer nimmt den Hund?“ zündet auch auf der Bühne

Unter jenem Titel erlebte der Stoff 2019 als Film seine Kino-Premiere, er kam mit Martina Gedeck und Ulrich Tukur in den Hauptrollen bei der Kritik und beim Publikum gut an, lief im Vorjahr auch im ARD-Abendprogramm.

Als Bühnenversion zündet er ebenfalls, wie sich bei der Hamburger Theaterpremiere in der Komödie Winterhuder Fährhaus zeigt. Viel Beifall außer fürs Ensemble und Regieteam auch für den im Saal anwesenden Berliner Drehbuchautor Michael Rauhaus, dessen bitterböse Dialoge die Grundlage dieses feinen fiesen Spiels bilden.

Marion Kracht muss keinen Quervergleich scheuen

Bei alledem brauchen Marion Kracht als Doris und Michael Roll als Georg den Quervergleich mit ihren prominenten beiden Filmkollegen nicht scheuen – die Fernsehstars selbst hatten den Plot zunächst der Theaterdirektion Landgraf und dann auch Komödien-Direktor Martin Woellfer vorgeschlagen.

Der hat seine Inszenierung zum offiziellen Spielzeitauftakt in Winterhude mit einigen Musikstücken angereichert, bringt so die sechsköpfige Crew tanzend in Bewegung und ermöglicht mit verschieb- und drehbaren Bühnenelementen (von Tom Presting) auch schnelle Ortswechsel.

Der Hund heißt wie ein Fußballstar

In der von Doris angestrengten „Trennungstherapie“ bei Frau Bruhns (souverän-bestimmend: Simone Ritscher) spielt sich am meisten ab. Hier sehen sich Doris und Georg jetzt nur noch einmal pro Woche.

Er, als Hamburger Aquariumsdirektor einst der jüngste in Deutschland, hat eine Affäre mit der 25 Jahre jüngeren Zoologie-Doktorandin Laura angefangen. Mit zwei erwachsenen Kindern, einem Haus und dem Hund namens „Lewandowski“ (wie der polnische Star-Kicker) gleicht die Ehe jetzt einem Scherbenhaufen.

Komödie Winterhude: Ein Witz auf FDP-Kosten

„Natürlich waren wir jung, aber verrückt waren wir nie“, erinnert sich Georg. „Wir haben ja sogar mal FDP gewählt“, sagt er. „Duuu hast FDP gewählt!“, entgegnet Doris.

Amüsant ist es, wenn die beiden Protagonisten bei der Therapeutin ihr Kennenlernen im Aquarium nachstellen sollen, als sie damals als frisch diplomierte Kunsthistorikerin aus München nach Hamburg kam – und umso entlarvender für ihn, wenn er einräumen muss, dass er seine neue Flamme ebenfalls genau dort kennengelernt hat: vor dem Quallen-Turm.

Michael Roll spielt gekonnt lässig

Michael Roll spielt seinen Georg zunächst gekonnt lässig als über den Dingen, vielmehr Damen stehenden Kerl, dem schneller als gedacht die Felle davonschwimmen.

Kurios zu erleben, wie er sich mit seinem Freund Peter (drahtig: Hartmut Lehnert) voll verkabelt bei Fitness-Übungen ab- und bemüht, dann jedoch seiner Selbsterkenntnis „Wir starten als Dynamit-Stangen und enden als Wackelpudding“ schneller zum Opfer fällt und ihn alte Rückenbeschwerden plagen. Roll spielt die männliche Midlife-crisis komödiantisch voll aus, lässt erst am Ende Ansätze von Feingefühl durchblicken.

Das Ensemble von „Und wer nimmt den Hund?“ im Winterhuder Fährhaus (v.l.): Dominique Siassia, Simone Ritscher, Marion Kracht, Michael Roll, Sandrine Guiraud und Hartmut Lehnert.
Das Ensemble von „Und wer nimmt den Hund?“ im Winterhuder Fährhaus (v.l.): Dominique Siassia, Simone Ritscher, Marion Kracht, Michael Roll, Sandrine Guiraud und Hartmut Lehnert. © Imago/Future Image

Französischer Akzent passt nicht immer

Als Laura ihren „Space“ für sich braucht, schwindet Georgs Liebesglück schneller als gedacht. Der Einfall des Regisseurs, die von Dominique Siassia als exotischen anspruchsvollen Freigeist verkörperte Geliebte mit französischem Akzent agieren zu lassen, passt hingegen nicht immer. Laura sagt Georg zumindest auf privater Ebene bald wieder Adieu.

Dagegen trägt Marion Kracht ihre Doris von Gefühlen des verlassenen, anfangs mal verzweifelten, dann rachsüchtigen „Heimchens am Herd“ herzhaft zum Erkenntnisgewinn der neuen Freiheit.

Sie gibt Georg nicht nur verbal Kontra: „Sie hat jetzt ein Brot im Kühlschrank, das jeden Tag mehr schimmelt“, lästert sie über die Rivalin und den Noch-Ehemann. Und entdeckt, gestützt von ihrer besten Freundin Claudia (umtriebig: Sandrine Guiraud), außer dem Interesse an einem neuen Verehrer die Liebe zu ihrer eigentlichen Profession: Sie möchte ein Kunstmagazin gründen.

„Und wer nimmt den Hund?“: Kein typisches Happy End

Dass Doris aus PR-Gründen dafür sogar ihre (verborgene) kriminelle Ader wiederentdeckt und einen kleinen Kunstraub in der Kunsthalle, von der Freundin auf dem Smartphone festgehalten, initiiert, gehört zu den Übertreibungen einer Komödie wie dieser. „Das ist meine Frau!“, stellt Georg beim Betrachten des Filmchens hernach jedoch auf YouTube fest.

Szenen einer Wiederannäherung der beiden Eheleute hat „Und wer nimmt den Hund?“ am Ende zwar, nicht aber ein typisches Happy End, wie es in so vielen (Dreh-)Büchern steht. Gut so.

„Und wer nimmt den Hund?“ bis 30.10. (außer Mo) täglich 19.30, So 18.00, Komödie Winterhude, Hudtwalckerstr. 13, Karten zu 25,- bis 44,-: T. 48 06 80 80; www.komoedie-hamburg.de