Hamburg. Die Rockband aus Philadelphia zündete im Stadtpark ein Soundfeuerwerk – 2 Stunden US-amerikanische Rockwertarbeit. Die Konzertkritik.

Zur Mitte der Saison ein „Konzert des Jahres“ auszurufen ist was? Ein forsches, vielleicht billiges Manöver. Na und, wir machen es an dieser Stelle dennoch. The War on Drugs waren da, und das Rock-Septett aus Philadelphia fackelte am Freitagabend auf der Freilichtbühne im Hamburger Stadtpark ein brillantes Set ab.

Es war, nach einem Tag Regenunterbrechung, wieder Sommer in der Luft. Die Wolkendecke brach rechtzeitig zu Konzertbeginn auf. Hatte man vorher noch befürchtet, The War on Drugs würden ein nasses Unterfangen, der Sound ein vielleicht auch windzerfahrenes Werk des Schwunds, ereilte einen schnell eine Erkenntnis.

Stadtpark: War on Drugs – zu jedem Song eine neue Gitarre

Dass dieses pennsylvanische Feuerwerk höchstens vom Vintage verweht war, sonst aber gar nix. Von War-on-Drugs-Anführer Adam Granduciel weiß man, dass sein kleiner Sohn Bruce heißt und er selbst bisweilen schamlos versucht, wie Bob Dylan zu singen und wie Neil Young im Gitarren-Feedback zu delirieren. Auf der Freilichtbühne wurde ihm quasi zu jedem Song eine neue Gitarre gereicht, der Mann ist besessen vom Akkorddetail.

Ohne seine Band, die dem Vortrag des 2005 gegründeten Kollektivs diese irre muskulöse, exakt ausdefinierte Klangfülle gibt, wäre er aber nichts. Aber es ist doch insbesondere sein herrlich altmodisch getunetes Rockposieren, es ist der melancholische Drall der von ihm geschriebenen Songs, der War on Drugs ihre Standfestigkeit gibt.

War on Drugs im Stadtpark – Bärte, Bäuche, Biere

Sagen wir es frei heraus: Das ästhetische Programm war also, grob gesprochen, eines von nicht mehr ganz jungen weißen Männern für nicht mehr ganz junge weiße Männer. 3000 Leute werden dagewesen sein, unter ihnen aber auch Frauen, gar ein paar junge. Und zur Band gehört neuerdings ja auch mit Keyboarderin Eliza Hardy Jones immerhin eine Frau. Bruce-Springsteen-T-Shirts, Baseballkappen, Bärte, Bäuche, Biere: Es war alles ganz beseligend. Vor allem, wenn man großzügig zu sich selbst ist. Die Güte der mittleren Jahre beinhaltet immer auch die Anerkenntnis vergangener Schönheit.

Der Charts-Erfolg der Band The War on Drugs stellte sich mit den Stadionrock-tauglichen Alben „A Deeper Understanding“ und „Lost In the Dream“ ein. Aus denen speist sich wie aus dem aktuellen Werk „I Don’t Live Here Anymore“ dann auch das Programm auf der derzeitigen Tour. Die Achtziger-Vibes von Songs wie „Victim“ oder „Pain“ beweisen übrigens auch live, dass Rock nun mal schon lange im breiten Nostalgiefenster seiner Timeline angekommen ist.

Publikum rastet beim epischen "Under the Pressure" aus

Man muss den Sound, diesen ganzen auf Volumen und Menge angelegten Rock’n’Roll, man muss den Hall und die ungeniert zelebrierten Outros und Überlängen erstmal so fett auf die Bühne bekommen! Vom Publikum wurde der Auftritt der bestens eingespielten Band mehr als nur goutiert. Das epische „Under the Pressure“ stellte sich dabei nicht wirklich überraschend als Signature Song heraus: Lange Spannungsbögen, orgiastischer Höhepunkt, Katharsis im Sound.

Ist doch einfach schön, dass die ewig junge Geschichte des konzertanten Eskalierens – Kopf ausschalten, Hüftschwung, albernes Rumgespringe – immer wieder und immer weiter erzählt wird. Zwei Stunden US-amerikanische Rockwertarbeit waren es insgesamt, mit dem perfekt komponierten „Harmonia’s Dream“ und dem elegischen „Thinking of a Place“ am Ende.