Hamburg. Beim Hamburger Theater Festival war das Gastspiel „Vögel“ vom Schauspiel Köln zu sehen. Ein Stück, das aktuelle Debatten aufgreift.

Eine alte Geschichte: Zwei junge Menschen treffen sich in der Universitätsbibliothek und werden zum Paar. Aber eine echte Zukunft hat ihre Liebe nicht: Ihre Herkunft steht ihnen im Weg, die Eltern protestieren. Wie in Shakespeares „Romeo und Julia“.

Nur dass Wajdi Mouawads „Vögel“ den alten Stoff konsequent in einen gegenwärtigen Konflikt verlagert: Eitan ist als Kind eines Israelis und einer DDR-Bürgerin in Berlin aufgewachsen, Wahida stammt aus einer palästinensischen Familie, beide studieren in New York. Junge, intelligente Leute, die sich lieben – die müssten die Fesseln ihrer Abstammung abstreifen können, oder?

Thalia Theater: Weg von "Romeo und Julia", hin zu "Nathan der Weise"

In Hamburg kennt man das Stück, das jetzt in Stefan Bachmanns Inszenierung vom Schauspiel Köln beim Theater Festival im Thalia Theater zu Gast war: Hakan Savaş Micans Blick auf „Vögel“ läuft im Repertoire in der Gaußstraße. Anders als dort wählt Bachmann einen radikalen Zugriff: Er betont die Differenzen zwischen den Figuren, indem er sie in unterschiedlichen Sprachen reden lässt.

Wenn Eitan (Alexander Angeletta) und Wahida (Lola Klamroth) miteinander flirten, dann sprechen sie Englisch, Eitans Vater David (Bruno Cathomas) spricht Deutsch (und verfällt bei Aufregung ins Hebräische), als die Handlung sich nach Israel verlagert, hört man viel Arabisch – die Übertitelung ist massiv gefordert, was allerdings nichts ist gegen die Aufgaben des Ensembles, das praktisch durchgängig nicht in der Muttersprache spielen darf.

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Aber wofür der Aufwand? „Vögel“ ist nämlich ein ganz konventionelles Drama, das über Rückblenden und Reflektionen auf einen Knalleffekt hinausläuft. Der von israelischem Nationalismus verblendete David erfährt, dass er als Säugling im Unabhängigkeitskrieg aus einem palästinensischen Dorf geholt und von einem israelischen Soldaten aufgezogen wurde – in der Abstammungslogik ist David also Palästinenser. Das ist eine Volte, die „Vögel“ weg vom „Romeo und Julia“-Motiv rückt, nah an Lessings „Nathan der Weise“. Allerdings fehlt die Überraschung, wenn man schon die Inszenierung in der Gaußstraße gesehen hat.

Die Theaterfestival-Inszenierung macht es sich nicht leicht

Bachmann platziert seine Inszenierung passgenau in den identitätspolitischen Debatten, die das Theater aktuell prägen. Darf Kais Setti, dessen Eltern aus Tunesien stammen, nacheinander einen New Yorker Rabbiner, einen israelischen Arzt und einen arabischen Kellner spielen? Bruno Cathomas, geboren im rätoromanischen Teil der Schweiz und entsprechend mit Identitätsfragen vertraut, plädiert im Programmheft dafür, diese Debatten intensiv zu führen und so Diskriminierungen abzubauen.

Leicht dürfte das nicht werden, nur: Am Ende müsse weiterhin jeder alles spielen können, unabhängig von seiner Identität. „Sonst könnte ich nur noch schwule Rätoromanen spielen.“ Und dass es sich diese Inszenierung leicht machen würde, das kann man wirklich nicht behaupten.

Festival-Infos: hamburgertheaterfestival.de