Hamburg. Schlenker in den höheren Blödsinn, unkonventionell, vielschichtig: „Leonce und Lena“ im Hamburger Puppentheater liefert ab.

Nicht täuschen lassen: Der erste Blick auf „Leonce und Lena“ mag konventionell anmuten, mit einer winzigen Kasperlebühne, die im Hamburger Puppentheater aufgebaut ist, mit einer Laute, die an der Rampe lehnt, mit Marionetten, die man im Hintergrund erkennen kann. Aber Heike Klockmeier und Stephan Wunsch spielen erst einmal gar nicht mit den Puppen. Und Büchners „Leonce und Lena“ spielen sie auch nicht. Sie setzen sich vor ihre Kleinbühne und reden. Durchaus Büchner-Texte, das schon, aber zu hören sind Passagen aus dem politischen Pamphlet „Der hessische Landbote“ und dem Drama „Dantons Tod“.

„Puppen sind wir“, heißt es da, „am Draht gezogen von unbekannten Gewalten“, und das ist dann der Einstieg ins eigentliche Stück. Mit existenzialistischer Düsternis schaffen Klockmeier und Wunsch den Sprung in die leichte Liebeskomödie, und dabei bleiben sie sogar noch im Kosmos des Autors – Respekt!

Puppentheater Hamburg: Schlenker in höheren Blödsinn

Zumal „Leonce und Lena“ es sich auch im Folgenden nicht bequem macht. Das 1836 entstandene Lustspiel bildet zwar die Basis des knapp zweistündigen Abends, aber die Inszenierung leistet sich immer wieder Schlenker in die kabarettistische Politik, ins Metatheater, manchmal auch in den höheren Blödsinn.

Und auch, wenn formal die Grenzen des Puppentheaters nie überschritten werden, dehnt Puppenbauer Jürgen Maaßen diese Grenzen weit. Mit einem König Popo etwa, der als lebender Hüpfball über die Szene hoppelt. Mit einem Minister, dem die höfische Steifheit in die vollkommen versteifte Puppenstruktur eingeschrieben ist. Und mit einem Liebespaar, dessen unschuldige Nacktheit auf die Spitze getrieben wurde: Nicht einmal mehr Fleisch und Haut gönnt Maaßen ihnen, Gerippe verlieben sich in diesem Puppentheater. Aber, zugegeben: wunderschöne Gerippe, Leonce ein trauriger Punk, Lena eine sanfte Knochenfee.

„Leonce und Lena“: Verschattet, dunkel und böse

Der Abend also erfüllt einerseits alles, was man sich von Büchners subversivem Lustspiel wünscht, Romantik, Phantasie, auch einen erfrischend nonchalanten Umgang mit Pflichten und Zwängen. Aber gleichzeitig ist er verschattet, dunkel und böse. Dass das Spiel und die Marionettenästhetik hochvirtuos sind, tut sein übriges, mehr kann man sich eigentlich nicht von zeitgenössischem Puppentheater wünschen.

Wermutstropfen: Wie üblich ist die Koproduktion zwischen dem Hamburger Ambrella Figurentheater und dem Aachener Theater Rosenfisch nur zwei Abende zu sehen. Ein kleiner Trost ist, dass Klockmeier noch einmal am 13. und 14. Mai zu Gast ist, diesmal mit Moliéres „Der eingebildete Kranke“ vom Ambrella Figurentheater.