Hamburg. Die „Cyborg Oper“ hat neben dem Krieg und Flucht noch einen besonderen Fokus. Denn: „Eva ist nicht die Täterin.“

Vieles, was da in der Performance-Oper „Kassia – Songs of Care(volution)“ auf der Kampnagel-Bühne erklingt, hat einen schrecklich vertrauten Sound. Erzählungen von Krieg, Flucht, Erinnerungen an Damaskus, Bilder des Syrien-Krieges kommen wieder hoch. Doch die von den Machern, dem zeitgenössischen Kainkollektiv um den Komponisten und Regisseur Burak Özdemir kreierte „Cyborg Oper“ hat noch einen besonderen Fokus. Sie findet ihren Ausdruck in den kämpferisch-verzweifelten Worten der wundervollen Schauspielerin Amal Omran, die vom Hier und Jetzt erzählt, vom Sturz aus dem Paradies in eine ungewisse Zukunft – und bald auch Sätze sagt wie: „Eva ist nicht die Täterin.“

Auf der weiß ausgelegten Bühne erheben sich bald säulenartig von der Decke hängende Tuchbahnen. In einer Ecke gruppieren sich die fantasievoll kostümierten Mitglieder des Ensembles Musica Sequenza und lassen eine berückende Mischung aus Barock mit Flöte, Streichern, Trommeln und Elektronik erklingen. Auf der Bühne weicht der Text einer eindringlichen Arie. Amal Omran ist weiterhin präsent. Eine wütende Tänzerin mit expressiven Bewegungen und ein aufgewecktes junges Mädchen gesellen sich zu ihr.

Theaterkritik Kampnagel: Geschichte eine ungewöhnlichen Rebellin

In diesem mal konsistenten, mitunter auch auseinanderfallenden Gesamtkunstwerk erzählen die Macher die Geschichte einer ungewöhnlichen Rebellin. Die Äbtissin - und Komponistin – Kassia lebte im 9. Jahrhundert in Konstantinopel. Sie verweigert die Ehe mit dem Kaiser, gründet ein Frauenkloster und rettet dort die Bildnisse vor Angreifern.

Ausgehend von dem Spruch „Alles Unheil kommt von den Frauen“, mit dem sie sich konfrontiert sieht, wird ihr Leben zum Symbol für das Aufbegehren gegen zugeschriebene Rollen und für eine Selbstermächtigung, die der Abend weiterführt bis zu den Frauenrechts-Demonstrationen im heutigen Istanbul. Die tun Not, denn die Türkei ist wie auch Polen bekanntlich aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen gegen Gewalt ausgetreten. Ein ästhetisch nicht immer einheitlicher, aber in jedem Fall eindringlicher Theaterabend.

Kainkollektiv/Burak Özdemir & Musica Sequenza: „Kassia – Songs of Care(volution). Eine Cyborg Oper“ Sa/So jew. 20.00, Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de