Hamburg. Premiere von „The Revolution will (not) be performed“ im Lichthof. Inhaltlich ist dieser Revolutionsabend nicht ganz ausgegoren.

Die Revolte ist auch ein ästhetisches
Phänomen. Demonstrationszüge, Revolutionschoreografien, Sprechchöre
– das gibt fürs Theater einiges her. Und die Performacegruppe
Glitch AG
nutzt das für einen Rundgang durch die jüngere
Aufstandsgeschichte, mit besonderer Perspektive auf die weibliche
Beteiligung: „The Revolution will (not) be performed“.

Im Lichthof
Theater
zeigen Raha Emami Khansari, Anna Hubner und Christine
Kristmann unter der Regie von Eva-Maria Glitsch, was Revolutionen
für Frauen bedeuten: die belarussischen Frauen, die sich gegen
Machthaber Lukaschenko stellen (und dafür angeblich wenig
Solidarität aus der westlichen Künstlerszene erhielten, weil sie
irgendwie uncool daherkämmen). Greta Thunberg und die zumindest in
der öffentlichen Wahrnehmung mehrheitlich weiblich geprägte
Fridays-for-Future-Bewegung. Oder #metoo, Hashtag-Aktivismus, der
die Performerinnen persönlich trifft: Hubner berichtet von einem
unangenehmen Erlebnis als Studentin mit einem deutlich älteren
Künstler, und dass sie es hier tatsächlich mit Machtmissbrauch zu
tun hatte, wurde ihr erst Jahre später klar, als immer mehr Frauen
erzählten, wie sie in ähnliche Situationen gerieten.

Revolutionsabend wird mit erprobten Mitteln des Performancetheaters gestaltet

Dazu: die
größere Gefahr von aufständischen Frauen, körperlich angegangen zu
werden, die Verletzbarkeit durch Mutterschaft. Es ist schwierig,
hier heldenhafte Geschichten zu erzählen. Umso bemerkenswerter,
dass es dennoch Heldinnen der Revolte gibt. „The Revolution will
(not) be performed“ erzählt diese Heldinnengeschichten mit den
erprobten Mitteln des avancierten Performancetheaters: Ironie,
technische Versiertheit, Vielstimmigkeit, Einbezug des Publikums.

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Man kennt solch ein Theater hauptsächlich aus den Hochschulen von
Hildesheim und Gießen, das nimmt dem Abend der Glitch AG vielleicht
ein wenig die Orginialität. Tatsächlich funktioniert das Gezeigte
aber, nicht zuletzt auch aufgrund der mitreißenden Musik von
Sebastian Russ sowie der wandlungsfähigen Ausstattung von Anthoula
Bourna. Eine gewisse politische Unschärfe allerdings erweist sich
im politischen Theater als fatal: Stimmt das denn alles, was einem
hier so charmant wie formsicher aufgetischt wird? Zeigt der Westen
denn wirklich kein Interesse an den Vorgängen in Belarus? Vor
allem: Was meinen die Künstlerinnen eigentlich mit „Revolution“?

Politischer Gehalt des Stücks verpufft

Auch Impfgegner behaupten, sich „im Widerstand gegen das System“ zu
befinden – sind die mitgemeint? Doch hoffentlich nicht. Inhaltlich
ist dieser Revolutionsabend nicht ganz ausgegoren, am Ende lässt
das den politischen Gehalt des Stücks verpuffen. Was ärgerlich ist,
den Genuss des Abends allerdings nicht schmälert. Khansari rappt
dann zu Russ’ suggestivem Bassspiel, „Die Klimakrise eskaliert /
Die Menschheit rast / In ihr selbstgemachtes Verderben“, das ist
cool, man wippt mit dem Fuß mit, nicht zuletzt ist es kluges,
zeitgemäßes Theater. Nur eine scharfe politische Analyse ist es
nicht. Schade eigentlich.

"The Revolution will (not) be
performed
" Wieder am 29. Januar, 20.15, 30. Januar, 12 Uhr, Lichthof
Theater, Mendelssohnstraße 15.