Hamburg. Mit Musik aus der Zeit von Louis XIV. verzaubert der katalanische Gambist und Dirigent das Publikum restlos. Nur eines fehlte.
- Jordi Savall wird in der Elbphilharmonie bejubelt
- Der katalanische Gambist lud zu einer Zeitreise ein
- Das Konzert war eine Unterweisung im genauen Hinhören
Es ging nur um Riesiges. Um Anmut und Ruhe, um Schönheit, Eleganz, Melancholie und den betörenden Moment, in dem ein noch gerade vorhandener musikalischer Klang in wohlklingende Stille übergeht. Solche zeitgeistentrückten Begriffe, Empfindungen und ästhetischen Werte standen am Freitag knapp zwei Stunden im Mittelpunkt eines Konzerts-Abends im Kleinen Saal der Elbphilharmonie, der auch eine Lektion in dankbarer Bescheidenheit über das Geschenk der Begegnung mit Ton-Kunst war.
Der katalanische Gambist, Musik-Forscher und Dirigent Jordi Savall hatte sein restlos begeistertes Publikum (besonders erfreulich: aus allen Altersklassen) im restlos ausverkauften Kleinen Saal zu einer leisen, unaufgeregten Zeitreise eingeladen. Zurück ins Barock, in die Ära von Louis XIV., von Versailles, von so hochangesehenen Compositeurs wie Lully, Couperin oder Marais. In eine Epoche, in der Leben und Tod, Trauer und Sinnlichkeit unmittelbar zu anrührender, hochstilisierter Musik wurden.
Elbphilharmonie: Jordi Savall mit einer Engelsgeduld
Etwa die Hälfte seines Auftritts verbrachte der 80 Jahre junge Savall – bescheiden, eloquent, mit sanftem Humor und enormen Wissen – mit Erklärungen und Beschreibungen dessen, was nach dieser Einführung folgen sollte. Mit Engelsgeduld erklärte er die Besonderheiten seines Instruments: Wie man eine Viola da gamba (eine enge Verwandte des Cellos) zu spielen habe. Wie wichtig die Bogenhaltung und -führung für den körperlichen Kontakt mit dem Ton sei. Welche Ausdrucksschattierungen die Bünde auf dem Griffbrett bieten.
Die Musikauswahl des Konzerts nach dieser ideal besetzten Einführung spielte auf die von Savall kuratierte Tonspur des grandiosen, einfühlsamen Films „Tous les matins du monde“ (deutsch: „Die siebente Saite“) an, in sich dem Gérard Depardieu und sein Sohn 1991 die Rolle des Komponisten und Gambisten Marin Marais geteilt hatten.
Elbphilharmonie: Kerzenschein wäre schön gewesen
Nach der Theorie folgte die Praxis, mit kammermusikalischen Preziosen aus der Blütezeit dieser Musik, auch von Marais und dessen Lehrer Monsieur de Sainte-Colombe. Kerzenschein wäre schön gewesen im eichenholzgetäfelten Saal, doch da hätte der Brandschutz garantiert sein Veto eingelegt.
Savall spielte seine siebensaitige Bassgambe von 1697, als Gegen- und Gemeinsamstimme saß ein zweiter Gambist auf der Bühne, Savalls ehemaliger Schüler Lorenz Duftschmid. Für grazilen harmonischen Unterbau sorgten Rolf Lislevand (abwechselnd mit einer Theorbe oder einer niedlich kleinen Barockgitarre) und der Cembalist Pierre Hantaï.
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Mal genossen die vier es, sich über den Variationen eines Akkordschemas auszutoben; mal versanken sie in einer Trauer-Klage oder bewegten sich durch lebensfrohe Tanzsätze. Und schon weil keines der Instrumente zu großer Lautstärke fähig ist, war dieses Konzert auch eine Unterweisung im genauen Hinhören. Alte, aber zeitlose Musik, von Experten für Gourmets. Standing Ovations, zwei reizend improvisierte Zugaben und das Gefühl, ein fernes Kapitel der Musikgeschichte unmittelbar erlebt zu haben.
„Tous le matins du monde“ (Alia Vox, CD ca. 19 Euro / Universal, DVD ca. 18 Euro)