Hamburg. Valérie Lemerciers Film „Aline“ erzählt vom Leben des weiblichen Popstars. In erster Linie geht es allerdings nicht um ihre Musik.
„Céline?“, fragt der Musikmanager. „Aline!“, verbessert die Mutter des Wunderkinds. Ein ironisches Augenzwinkern. Denn es ist genau andersrum. Der Film handelt zwar von einer Aline Dieu. Aber es geht unverhohlen um eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Welt, Céline Dion. Dass „Aline“ kein Biopic von der Stange ist, macht sich nicht nur daran fest, dass die Figur anders heißt. In ihrem sechsten Regiefilm spielt Schauspielerin Valérie Lemercier selbst die Hauptrolle, die sie sich im Drehbuch auf den Leib schrieb. Und macht es von Anfang an, spielt sie doch auch als kleines Mädchen. Und wird dann digital geschrumpft. Ein merkwürdiger, aber irgendwie rührender Effekt.
Auch wenn Lemercier schon Platten besungen hat, die berühmten Hits singt nicht sie und nicht das Original. Es sind eigens eingespielte Coverversionen der Sängerin Victoria Sio. Sie werden aber, mit einer Ausnahme am Ende, nie ganz durchgespielt. Und Schlüsselmomente werden zwar mit Liedern kommentiert, aber nicht mit Hits von Aline/Céline, sondern von anderen Künstlern. Der Film und die Regisseurin versuchen so, sich der Frau hinter der Stimme zu nähern. Und tut dies mit vielen Brüchen und Verfremdungen.
Kino Hamburg: Film hält sich an Céline Dions Leben
Inhaltlich aber hält sich der Film – obwohl der Vorspann betont, es sei nur fiktiv angelehnt – eng an Céline Dions Leben. Erzählt wird, wie sie als jüngstes von 14 Kindern in einfachen Verhältnissen aufwächst. Wie sie sich erst noch scheu unterm Tisch versteckt, dann aber mit ihrer Stimme alle überwältigt. Wie die Mutter (hinreißend gespielt von Danielle Fichaud) eine Musikkassette an einen Manager schickt, der hier nicht René Angéli, sondern Guy-Claude (Sylvain Marcel) heißt. Wie der die Zwölfjährige unter Vertrag nimmt. Und sie fortan nur noch für ihn singt und den 24 Jahre älteren Mann schließlich auch heiratet, gegen den Willen der Mama.
Als Schauspielerin ist Valérie Lemercier bisher eher für derbe Komödien („Die Besucher“) bekannt gewesen. „Aline“ ist aber nicht, wie man denken könnte, eine Parodie, mit der sie sich über den Star lustig macht. Es gibt zwar herrlich komische Momente, wenn sie sich in ihrem neuen, riesigen Haus verläuft oder wenn sie erst ablehnt, was dann ihr Welthit wird: der Titelsong zu „Titanic“.
Kino Hamburg: Céline Dion gab dem Film ihren Segen
Lemercier, vom Typ her nicht unähnlich, hat Dions etwas staksige Körpersprache genau einstudiert. Kopiert viele ikonische Momente, sie wird etwa in das berüchtigte Outfit vom Grand-Prix-Sieg 1988 gesteckt. Aber der Auftritt wird dann nicht gezeigt. Mehr als um ihre Musik geht es darum, wie die Künstlerin Tourneen und langjährige Las-Vegas-Shows mit ihrem Familienleben koordinieren muss. Wie sie lange vergeblich auf Kinder hofft, dann doch noch Mutter wird und die Doppelbelastung kaum schafft. Und schließlich: der Krebstod des Mannes, der sie in ihrem Schaffenswahn innehalten lässt.
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Die Familie Dion soll nicht sehr glücklich sein über diesen Film. Céline Dion aber hat ihren Segen gegeben, weshalb auch die Rechte an den Songs kein Problem waren. Mag es auch ein „falsches“ Biopic sein, so ist „Aline“ doch eine echte Comédie humaine. Und wahrer als manch klassische Filmbiografie.
„Aline“ 126 Min., ab 6 Jahren, läuft im Abaton, Astor Film Lunge, Blankeneser, Passage