Hamburg. Leif Ove Andsnes und das Mahler Chamber Orchestra lassen den Mozart von 1785 und 1786 aufleben – mal stürmisch, mal gelassen.
Die Idee ist geradezu genial, funktioniert aber nicht mit jedem der großen Klassiker. Anstatt sich hier, da oder dort im Werkkatalog nach Belieben die Rosinen herauszusuchen, haben der skrupulös detailinteressierte Pianist Leif Ove Andsnes und das mit ihm seit langer Zeit erfolgreich gleichgesinnte Mahler Chamber Orchestra auf die Jahre 1785 und 1786 im Leben Mozarts konzentriert.
Auf jene Phase, in der sich „Spätwerk“-Reife des Endzwanzigers meldete und sein höchstdramatischer „Don Giovanni“ nahen und vielleicht schon ahnen lassen sollte. Ein kalendarischer Blickwinkel, der Verwandtschaften und Gemeinsamkeiten deutlich klarer zeigt, als es in Konzerten üblich ist.
Elbphilharmonie: Pianist Leif Ove Andsnes spielt Mozart
Zwei der drei aufeinanderfolgenden Abende dieser Mini-Residenz in der Elbphilharmonie waren vor allem den Klavierkonzerten jener Jahre gewidmet, Hits wie dem C-Dur-Konzert KV 467 oder dem c-Moll-Konzert KV 491. Und gerade diesen Lieblingen verweigerten Andsnes und das angemessen klein gehaltene Tutti die Gelegenheit, zum x-ten Mal nur harmlos nobel klingen zu sollen. Andsnes hatte es, insbesondere am ersten Abend, lieber dramatischer, den Charaktervorgaben der Tonarten folgend.
In das d-Moll-Konzert stürmte er geradezu hinein, mit schroffen Akzenten und einer ungebremsten Motorik, die immer weiter wollte und auch in den lyrischen Passagen keinen argen Druckabfall hören ließ. Andsnes’ Mozart kam gerade so „virtuos“ wie nötig daher, wichtiger ist es dem Norweger, dass er so uneitel wie möglich die Entwicklungsprozesse offenlegt. Auch das MCO-Tutti hielt sich konsequent an diese Vorgabe und unterlegte den Klavierpart mit gespannter Gelassenheit.
Sopranistin Christiane Karg als Gast
Weil das so angenehm war, störte auch nicht, dass Andsnes sicher ein großartiger Ideen-Kommunikator in Proben ist, als Dirigent aber keine bezwingende Führungskraft verkörpert, die alle Zügel mal hierhin, mal dorthin umreißen könnte oder wollte. Dass das Orchester auch ohne gut klarkommt, lediglich mit den Hinweisen des Konzertmeisters Matthew Truscott, zeigte es in der klarsichtigen Art und Weise, wie die „Prager“ Sinfonie KV 504 als große Kammermusik behandelt und geformt wurde.
Einen kurzen Gast-Auftritt am zweiten Abend hatte die Sopranistin Christiane Karg, mit einer der aparten Konzert-Arien, die Mozart verlässlich für entsprechend begabte Sängerinnen zu liefern verstand. „Ch’io mi scordi di te...“ machte Karg zur kleinen, feinen, aber nicht gänzlich verspannungsfreien Kostprobe ihres Einfühlungsvermögens in Mozarts Erzählkunst. Das A-Dur-Konzert KV 488 ist und bleibt ein unbeschwert formschönes Werk, hier hielten sich Andnes’ Gestaltungsideen in Grenzen. Dafür war die Idee, mit den gedeckten c-Moll-Klangfarben der Maurerischen Trauermusik KV 479a harmonisch passgenau ins elegisch beginnende c-Moll-Konzert KV 491 überzuleiten, umso packender.
Aufnahmen: „Mozart Momentum 1785“ (Sony Classical, 2 CDs, ca. 15 Euro). Am 24.11. erscheint Christiane Kargs Weihnachtsalbum „Licht der Welt“ mit Musik von Humperdinck bis Sibelius (harmonia mundi, ca. 17 Euro)
Konzert: 10.11., 19.30 Uhr, Elbphilharmonie, Kleiner Saal. Mozart-Lieder und Kammermusik, mit Christiane Karg (Sopran). Evtl. Restkarten.