Hamburg. Der 69-Jährige gibt in Hamburg ein Konzert unter 2G-Bedingungen und erweist sich als anschlussfähig an verschiedene Genres.

Schlagersänger erzählen gerne, wie stolz sie seien, auch ein jüngeres Publikum zu erreichen. Klar, denkt man da, Zwanzigjährige gehen zum Schlagerkonzert, erzähl’ mir nichts. Aber wenn man sich bei Roland Kaiser (69) in der (dank der 2G-Regel) gut gefüllten Barclays Arena umschaut, muss man zugeben: Das ist zwar kein Konzert speziell für Zwanzigjährige, aber tatsächlich findet man auch junge Menschen. Großeltern, Kinder, Enkel. Respekt.

Wobei Roland Kaiser beim Hamburger Konzert zwar nie so tut, als ob er etwas anderes als ein Schlagersänger sei, sich dabei aber anschlussfähig an unterschiedliche Genres erweist. James-Bond-hafter Streicherschmelz beim Opener „Alles oder dich“: check.

Roland Kaiser mit James-Bond-haftem Streicherschmelz

Balladeske Besinnlichkeit bei „Manchmal“: check. Rockgitarren, elektronische Rhythmen, soulerfüllte Backgroundstimmen: check, check, check. Die siebenköpfige, mit Streichquartett und zwei Sängerinnen verstärkte Band erweist sich als extrem wandlungsfähig, sogar ein Hauch von Balkanpunk schleicht sich bei „Schach matt“ in den Auftritt ein. Das ist schon Schlager, aber es ist Schlager für Leute, die auch mal was anderes hören.

Was der 69-Jährige wohl nicht mehr wird: ein Crooner, der seine Klassiker mit der Brüchigkeit des Alters noch einmal neu entdeckt. Dafür ist das Konzert zu perfekt arrangiert, dafür nehmen die Songs manchmal auch den zu einfachen Ausweg aus dem Sentiment und kleistern alles mit einem geraden Beat zu. Der Bumstechno aber passt nicht wirklich zur Melancholie von Stücken wie „Gegen die Zeit“, das ist so wenig sensibel wie manch textliche Stilblüte. „Die Vorsätze stolpern in dein Dekolleté“ (aus „Kurios“), meine Güte!

Bumstechno passt nicht wirklich zur Melancholie von Gegen die Zeit“

Andererseits: Im Programm finden sich auch immer wieder traurige Songs wie „Der Mann, den du verdienst“ oder „Sag ihm, dass ich dich liebe“, die die Kaiser-typischen Zweideutigkeiten verschatten, die von Untreue und Verlassenwerden erzählen.

Das ist nicht alles nur „Uffz-Uffz-Santa-Maria“! Der politische Entertainer, der der langjährige Sozialdemokrat auch ist, taucht an diesem Abend freilich nicht auf – einzig „Liebe kann uns retten“ wird als Statement für Toleranz gespielt, ansonsten ist hier alles Herzschmerz. Und ein bisschen Sex: „Manchmal möchte ich schon mit dir“, klar.

Roland Kaiser erinnert mittlerweile an einen Unternehmenspatriarchen

Die Besucher hatten mit der ungewohnten Nähe zu fremden Menschen keine Probleme.
Die Besucher hatten mit der ungewohnten Nähe zu fremden Menschen keine Probleme. © Roland Magunia/Funke Foto Services

Obwohl Roland Kaiser optisch mittlerweile stark an einen westfälischen Unternehmenspatriarchen erinnert: Auch im fortgerückten Alter ist er ein Malocher in der Schlagerfabrik, einer, der am Ende des Tages möglichst gute Arbeit abgeliefert haben will.

Und das macht er – knapp drei Stunden dauert der Auftritt, eine beeindruckende Leistung für einen Musiker im Rentenalter, der 2010 eine schwere Lungenerkrankung überstehen musste. Zumal man an keiner Stelle die Anstrengung spürt: Man hat den Eindruck, dass Kaiser liebt, was er hier macht, dass er sich ehrlich über den vollen Saal freut. Und dass er die Souveränität besitzt, selbstironisch über sein Image als Frauenheld zu spötteln. Schön.

Die Hamburger Barclays-Arena war übrigens seit 20 Monaten nicht mehr so voll wie am Freitag. Lediglich kleinere Konzerte, Handballspiele und ähnliche Veranstaltungen mit wenig Besuchern fanden hier während der Corona-Pandemie statt.