Hamburg. Beide sind Pianistinnen, eine ein Weltstar: Khatia und Gvantsa Buniatishvili waren zu Gast bei den Symphonikern Hamburg.

Das synchrone Verbeugen könnten sie noch üben. Die eine, im dramatisch ausgeschnittenen Glitzeroutfit, schüttelt die lackschwarzen Locken, strahlt, wirft Kusshände in die Ränge und verbeugt sich schwungvoll, die andere, mit langem, dunkelbraunem Haar und schlichtem schwarzem Kleid, schaut freundlich und ernst geradeaus und wirkt beinahe schüchtern, wenn sie den Oberkörper leicht nach vorne neigt. So unterschiedlich können Schwestern sein.

Gvantsa und Khatia Buniatishvili sind in der Laeiszhalle bei den Symphonikern zu Gast. Beide sind Pianistinnen, eine von beiden ein Weltstar. Doch in Mozarts Konzert für zwei Klaviere Es-Dur KV 365 ergänzen sie einander ohne jedes Gefälle. Das Werk nimmt in Mozarts Schaffen eine besondere Stellung ein, er schrieb sein einziges Konzert für zwei Klaviere für sich und seine Schwester Nannerl – und es ist genauso unerbittlich durchhörbar und filigran wie seine übrigen Klavierkonzerte. Schließt man die Augen, dann könnte man beim Hören streckenweise meinen, es mit nur einem Klavier zu tun zu haben, so traumwandlerisch spielen die beiden Solistinnen ihre Läufe in Terzen zusammen.

Gvantsa ist „Erde“, und Khatia, die Jüngere, ist „Luft“

In den dialogischen Stellen lassen sie einander Raum, nehmen auf, was die andere anbietet, artikulieren klar und bringen die Musik zum Atmen, ganz natürlich, ohne Mätzchen. Das Erschütternde hinter dieser Federleichtigkeit ist nur in wimpernschlagkurzen Momenten zu ahnen, in einem unmerklich abgefangenen Übergang, einem Innehalten während einer Wendung zum Moll, das Abgründe andeutet. Aber bloß nicht mehr als andeutet. Dies ist schließlich klassische Musik, da gehört die Contenance dazu.

Khatia, die um ein Jahr jüngere der Schwestern, gibt im Programmheft zu Protokoll: „Gvantsa ist Erde, ich bin Luft.“ Was in dem Fall kein Marketingsprech ist, sondern ein künstlerischer Befund, so poetisch gefasst, wie Khatia sich oft ausdrückt. Nüchterner formuliert: Khatia am ersten Klavier spielt oft in den höheren Lagen und hat einen silbrigeren Ton, während Gvantsa dunkler klingt. Khatia ist auch diejenige, die öfter mal einer spontanen Eingebung zu folgen scheint, Frechheit und Witz hineinbringt. Und ihre Schwester dabei trotzdem nicht an die Bühnen-Wand spielt.

Orchester hält sich eher bedeckt

Wie Khatia ihr Temperament bei Mozart gebändigt hat, offenbart die Zugabe. Für Astor Piazzolla setzen sich die beiden an ein Klavier, Gvantsa groovt den Rhythmus, Khatia explodiert schier vor Ausdruckswillen und Virtuosität. Großer Jubel, Küsschen, feines Lächeln.

Das Orchester unter der Leitung von Guy Braunstein hat sich beim Begleiten eher bedeckt gehalten. Bedauerlicherweise haben eine Reihe der Mozart-typischen Achteleinsätze in den Geigen geklappert. Nach der Pause liegt Schumanns Zweite auf den Pulten. Ach, Schumann. Er gehört zum Kernrepertoire und ist doch immer noch so oft unverstanden. Wie umgehen mit seinen sinfonischen Sätzen, die die Themen schier endlos wiederholen, in denen sich das Wesentliche oft in den Mittelstimmen zuträgt? Es ist eine hohe Kunst, hier den Überblick zu behalten, damit dieses dichte Gewebe nicht undurchdringlich wirkt.

Unter Braunstein klingen die schnellen Sätze kontrastarm, als hätten die Beteiligten Angst, die Kontrolle zu verlieren. Packende pianissimi, überirdische piani, romantische Temporückungen gelingen ihnen im Adagio espressivo. Da ist zu hören, wie genau sie gearbeitet haben. Und das versöhnt mit manchem.