Hamburg. Ein dicker Roman, der in Holland eine Sensation war. Kann man dessen Qualität auch auf einer Lesung in der Hansestadt verstehen?

Auch Abende, die krachend scheitern, lohnen sich mitunter. Man nehme zum Beispiel einen holländischen Bestsellerautor und seinen Auftritt in einem eher kuscheligen Kulturzentrum; einen Autor, der einen so gewaltigen Gesellschaftsroman geschrieben hat wie „Otmars Söhne“, jene Saga mit familiendramatischen, sexuellen, öligen und existenziellen Überproportionen. Die hat Peter Buwalda selbst, geboren 1971 in Brüssel, übrigens nicht.

Der Mann sieht wahlweise aus wie ein gut im Training stehender Marathonläufer oder ein alternder Rockstar, der das Selbstbewusstsein des Vielbewunderten versprüht. Man hat das Resultat seines Schaffens zuletzt mal „Prosa auf Steroiden“ genannt, so kraftmeierisch hat er in seinen bislang erschienenen Roman „Bonita Avenue“ und „Otmars Söhne“ von Menschen erzählt und dem, was sie sich antun, gerade wenn sie derselben Familie angehören.

Peter Buwalda beim Harbour Front Literaturfestival

Sein Auftritt in der Fabrik, auf Einladung des Harbour Front Literaturfestivals, bewies nun aber zweierlei. Zum einen – wie viel Leute mögen dagewesen sein, 40, vielleicht 50? – die noch relativ zurückhaltende Rezeption von „Otmars Söhne“ im deutschen Sprachraum. In den Top 20 der Bestsellerliste war der Roman irritierenderweise nie. Zum anderen ist es angesichts der Fülle des Buchs nicht so leicht, seine Grandezza und Anziehungskraft tatsächlich deutlich zu machen.

Ein erwachsener Mann, der seinen ihm unbekannten Vater in den Weiten Russlands sucht und findet; beide sind im Öl-Business. Dazu eine skrupel- und furchtlose Investigativjournalistin, die beide zu unterschiedlichen Zeiten kennengelernt hat. Und viel, viel Familienzwist, Klassikwunderkinder, früh verstorbene Ziehväter, dysfunktionale Liebesbeziehungen, Rachegelüste und so weiter und so fort: Wie das alles in 90 Minuten darstellen?

Buwalda lieferte einen Werkstattbericht

Moderator Stefan Wieczorek, ein Literaturwissenschaftler aus Aachen, mühte sich leidlich, aber vergebens. Weil aber die Lesenden – bei Literaturgästen fremder Zunge sind sowohl im Literaturhaus als auch beim Harbour Front Festival stets namhafte Schauspieler im Einsatz – oft einen ziemlich großen Anteil am Abendgeschehen haben, vermittelte sich den Anwesenden leicht ein Bild des glänzenden Buwalda-Erzählstils.

Es war Stephan Kampwirth, der die weitläufigen Passagen las, in denen sich das faszinierende Personal des Romans entfaltet. Buwalda, der den deutschen Fragen auf Niederländisch antwortete und dabei die übrigens keineswegs überkomplexe Konstruktion seines Erzählwerks gestenreich erklärte, lieferte flankierend zur Lesung einen Werkstattbericht: Bis 2028 will er die beiden Nachfolgebände „Der Ja-Sager“ und „Hysteria Siberiana“ vorlegen. „Otmars Söhne“ ist der Start einer Trilogie.

Peter Buwalda über die Entstehung von Fiktion

„Mein Ziel ist es immer, Fiktionales so dicht zu gestalten, dass die Leser die Fiktion für echt halten“, sagte er einmal. Für seinen ausgiebig im Milieu des Erdöl-Multis spielenden Plot habe er, erzählte Buwalda, mehr als 100 Stunden mit einem ehemaligen Shell-Beschäftigten gesprochen.

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Und einmal habe er es geschafft, zu einem Shell-CEO durchgestellt zu werden. Der habe sich, nachdem Buwalda sein Anliegen – Recherche für einen Roman – geschildert habe, satte 30 Sekunden für ihn Zeit genommen. „Und behauptete, einen Amateurfußballbverein zu managen sei auch nicht anderes“, erzählte Buwalda. Sein Roman widerlegt diesen Satz, irgendwie.