Hamburg. Der Bestsellerautor las erstmals seit längerer Zeit – beim Harbour Front Literaturfestival aus „Es ist immer so schön mit dir“.
Erinnert sich noch jemand an das glorreiche Studio Braun? Von dem führt ganz logisch, über das Schauspielhaus, wo das Anarchotrio Palminger, Schamoni, Strunk vor einiger Zeit inszenierte, ein gerader Weg in die Elbphilharmonie. Stiltechnisch mochte das jetzt Heinz Strunks Kleidung demonstrieren. Bei seiner Lesung im Großen Saal demonstrierte das Einstecktuch im piekfeinen Sakko das Angekommensein des längst ruhmreichen Autors in der Hochkultur.
Und nach diesen Gedanken zum künstlerischen Aufstieg nun flugs in Richtung „Es ist immer so schön mit dir“. Dieses neue Buch Heinz Strunks stand in voller Pracht im Zentrum der Veranstaltung des Harbour Front Literaturfestivals. Obwohl Strunk, der Zeremonienmeister der dunklen Komik, seinen Beziehungsroman für die Lesung auf Erzählungsformat zusammengestrichen hatte, vermittelte sich dem Publikum ohne jeglichen Verlust die Message: Das Leben ist ein Jammertal, und die Liebe dabei dessen allertiefste Einbuchtung.
Elbphilharmonie: Heinz Strunk liest beim Harbour Front Literaturfestival
Wenig überraschend galt bei Strunks wie üblich hingehecheltem Vollgasvortrag die erste Regel der Strunk-Poetik: Vorgelesen ist die Tragödie eine reine Komödie. Wer zu einer Strunklesung geht, ist unbedingt lachbereit. Und prustet dann eben auch bei der traurigen Ballade vom mittelalten Mann, der sein Leben nur noch abzusitzen gedachte, bis SIE in sein Leben tritt; Vanessa, die anorektische („Schmal wie ein Selleriestängel“), undurchdringliche C-Aktrice.
Sie macht den namenlosen Anti-Helden verrückt und lockt ihn geradewegs in einen Strudel aus Selbsthass und Liebesblödheit, fühlender Vergeblichkeit und Herzeleid. Strunks meisterliches Schaffen im Desillusionstheater, mit Figuren, die jämmerlich scheitern, ist also auch für das Jahr 2021 bezeugt. „Es ist immer so schön mit dir“ ist für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Für Howard-Carpendale-Einlagen gab es Extra-Applaus
Dabei ist das – der Rhythmus des Gelächters täuscht nie – wenig zögerliche Gott-ist-das-hart-Lachen des Publikums so wie immer: Je abgefuckter, desto heinzer. Die ehrliche, allzu reale Hardcore-Tristesse der Roman-Zweisamkeit („Ratlos liegen sie nebeneinander“) wird, zur Entlastung des sich wiedererkennenden Lesers, komisch gesteigert. Mit den Strunk-Hyperbeln des Elends, die nur Leute ohne Humor für Zynismus halten, ist dann alles gar nicht mehr ernst, nicht mal in der Elbphilharmonie. Oder gerade dort eben nicht.
Für Strunks Howard-Carpendale-Einlagen („Fremde oder Freunde“) gab es Extra-Applaus, zumal nach dem Veranstaltungsrausschmeißer an der Querflöte, der Mann ist bekanntlich von Hause aus Musiker. Aber es war am Ende doch der pure Text, der die Zuhörerinnen und Zuhörer in den Bann zog.
Strunk will live vor allem unterhalten
Strunks zuweilen erkennbare Selbstbelustigung beim Vorlesen verstärkte die Intention des Autors noch einmal deutlich. Bei aller Ambition auch hinter dem sprachlichen Ausdruck und dem Interesse für amouröse Abgründe will Strunk live vor allem unterhalten. Wer das Buch vorher schon kannte, den überraschte die Stellen-Auswahl nicht.
Es gibt Dialog-Schönheiten im Text, einschlägige Szenen des Überdrusses und der sehr wahren Hässlichkeit der Existenz, die für den Live-Auftritt geschrieben sind. Deswegen trafen sich auch an diesem Abend stets die Unausweichlichkeit der emotionalen Nulllinie („Er sucht ihr Gesicht nach einem Trost ab, aber den gibt es nicht“) mit dem, was unter die Gürtellinie zielt („Die Wichse hängt schon bis zum Schaft“).
Strunks Selbstzweifel waren so kokett wie unnötig
In seiner kurzen Vorrede zur weitestgehend vom Leseteil getragenen Show erinnerte Strunk daran, dass die Lesung sein erster Auftritt seit Februar 2020 sei. Corona, sagte der Schriftsteller mit dem gewaltigen Bestselleroeuvre („Fleisch ist mein Gemüse“, „Der Goldene Handschuh“) habe auch ihn mitgenommen. Sein Lispeln sei zuletzt schlimmer geworden, so Strunk. Er wisse nicht, was die Auftrittszwangspause mit ihm gemacht habe, „habe ich meine Form verloren oder trete ich gestärkt vors Publikum?“
Letzteres ließ sich nicht allzu schwer beantworten: Heinz bleibt Heinz, ob er nun auftrittsmäßig im Saft steht oder nicht, ob er im verbeulten Kulturzentrum liest oder im edlen Konzerthaus. Strunks Selbstzweifel („Kann ein Mann dem Saal gerecht werden? Wer ist stärker, die Elbphilharmonie oder ich?“) waren so kokett wie unnötig. An einer Stelle im Roman verzweifelt der Held mal wieder an seiner Angebeteten und verflucht ihre komplette Spaßbefreitheit: „Wieder kein einziges Mal gelacht. Gab wohl nix zu lachen.“ Eine schlecht gelaunte Feststellung, die als Antithese zum literarischen Programm des großen Komödianten Heinz Strunk gelten darf.