Hamburg. Philippe Jaroussky und das Ensemble Artaserse mit seiner „L’Orfeo“-Maßanfertigung in der Elbphilharmonie.
Auch diesen Elbphilharmonie-Auftritt von Philippe Jaroussky als „fantastischen Abend“ zu beschreiben, ist nicht übertrieben. Dass der Countertenor bei seinen Programmzusammenstellungen, kombiniert aus dem Besten bis Unbekanntesten der Alten Musik, immer wieder ein glückliches Händchen hat, ist eine Konstante. Seine Stimme und die Akustik dieses Konzertsaals tragen und vertragen sich wunderbar, Jarousskys Faible für stilsichere Begleit-Ensembles verstärkt diesen Eindruck noch.
Wirklich fantastisch wurde das kurze Wiederhören allerdings vor allem durch die zugrundeliegende Idee: eine raffiniert zusammengestellte Pasticcio-Maßarbeit aus drei frühen Vertonungen (Monteverdi, Sartorio, Rossi) des Orpheus-Mythos, mit dem die Operngeschichte, wie wir sie heute kennen, begann.
Zeitlose, packende Musik
Der unwiderstehlichste aller Barden, der seine geliebte Eurydice in der Unterwelt sucht, sie vergöttert und betrauert, himmelhochsingend, zu Tode betrübt, vergehend vor Schmerz. Jaroussky und das kleine, feine Ensemble Artaserse wollten die kurze Essenz einer Oper in 70 Minuten auf die Bühne bringen, ohne sie dort tatsächlich zu zeigen. Gesten, Blicke und etwas Licht-Effekte, mehr war nicht. Und natürlich diese anrührende, zeitlose, packende Musik. Mehr brauchte es auch überhaupt nicht.
Beginnend mit Monteverdis berühmter Eröffnungs-Toccata (großartig mühelos, wie die zwei Zinken-Spieler auf ihren Renaissance-Trompetchen-Cousin diese Fanfaren bliesen), nahm dieses Drama vor dem inneren Auge seinen Lauf. Mit der Sopranistin Emőke Baráth hatte Jaroussky eine Eurydice-Sängerin an seiner Seite, die die Ausdruckskraft dieser frühbarocken Musik beeindruckend heutig werden ließ; auch für tänzerische Leichtigkeit, besonders schön in einem Duett aus dem Rossi-„L’Orfeo“, war noch Platz.
Knirschend reibende Schmerz-Momente
Ebenfalls toll, wie das Klein-Orchester mit den knirschend reibenden Schmerz-Momenten in Sartorios Eurydice-Arie die Szene verdunkelte. Jaroussky, der zunächst etwas verspannt klang, hatte seinen beeindruckendsten Auftritt in Monteverdis großer „Possente spirto“-Arie, in der Orfeo den Fährmann Charon überzeugen will, er müsse ihn zu Eurydice bringen.
Ein langer Fluss aus Herzblut, geschmackvoll verzierte Gesangslinien, die diesen Eindruck verstärkten, ohne ihn zu übertönen. Großer Beifall, bevor mit „Pur ti miro“ aus Monteverdis „Poppea“ eines der anrührendsten Liebes-Duette überhaupt, doch noch ein Happy End gewährt wurde.
Aufnahme: „La Storia di Orfeo“ (Erato 2017, CD ca. 8 Euro)