Hamburg. Neue Alben von den Hamburg Spinners, Les Maries und The Girl & The Ghost.

Die Wahrscheinlichkeit, einen „Skorpion im Stiefel“ zu finden, ist in hiesigen Breitengraden eher gering. Der Albumtitel des popmusikalischen Projekts Hamburg Spinners ist dennoch überaus treffend. Denn der Orgeljazz, den diese stilbewusste Supergruppe produziert, ist so lässig bis verrückt tanzbar, als habe der Hörer besagtes Spinnentier im Schuh. Und um diesen Sixties-Sound auch amtlich in Norddeutschland zu verorten, beginnt das Stück „Pharisäer“ direkt mal mit schönstem Möwengeschrei und Schiffstuten.

Hamburg Spinners: „Skorpion im Stiefel“ (Légère  Recordings)
Hamburg Spinners: „Skorpion im Stiefel“ (Légère Recordings)

Die Hamburg Spinners bestehen aus vier beat-verliebten Typen: Carsten „Erobique“ Meyer an der Hammond-Orgel, Bassist David Nesselhauf, Schlagzeuger Lucas Kochbeck sowie Gitarrist Dennis Rux, in dessen retro-affinen Yeah! Yeah! Yeah! Studios in Barmbek-Süd das Album live eingespielt wurde. Erschienen sind die schummrig swingenden Songs auf dem Hamburger Label Légère Recordings.

Wie nonchalant und hintersinnig die Stadt klingen kann, demonstriert das deutsch-französische Duo Les Maries mit seinem dritten Album „Wir brauchen heute nicht mehr rauszugehen“. Marie-Laure Timmich singt nachtschattig schillernde Popchansons, die von Klaus Sieg vielschichtig mit Gitarre, Banjo, Glockenspiel und Steel-Guitar begleitet werden. Ihre wunderbar entschleunigten Lieder erzählen von Flaneuren, die das Flüchtige und Brüchige des Lebens beobachten. Mal erhält das Schwanken der Welt eine beschwingtere Note wie in „Wenn das Meer“.

Les Maries: „Wir brauchen heute nicht mehr rauszugehen“ (Brilljant Sounds)
Les Maries: „Wir brauchen heute nicht mehr rauszugehen“ (Brilljant Sounds)

Mal gleicht das Hören einer traumversunkenen Utopie wie in der Nummer „Hier“, mit der sich Les Maries bestens als feminine Alternative zu Element of Crime empfehlen. Die Kunstsinnigkeit des Duos wird nicht nur durch die ausgewogene Produktion von Tobias Levin unterstrichen, die den Fokus fein auf die Details richtet. In einer digitalen Galerie steuern zudem andere Kulturschaffende ihre Sicht auf die Musik des Duos bei. Filmemacher Christian Hornung („Manche hatten Krokodile“) etwa hat im Tempel 1844 in der Poolstraße einen großartigen Kurzfilm zum Titelsong realisiert: Beobachtungen von Inhäusigkeit – Kanarienvogelstreicheln und Mikadospiel inklusive.

Bewegungsstudien filigran-poppiger Natur führt das Duo The Girl & The Ghost durch. Mit ihrer EP „Motion Studies“ (popup records) erkunden Dorothee Möller und Timon Schempp das Terrain zwischen analogen organischen Klängen und elektronisch flirrender Tanzbarkeit. Eine sanft pulsierende Nummer wie „Silent Messages“ lotet Synthesizer-Gefilde aus, während ein Stück wie „Hunter“ in reduzierter Schönheit auf Singer-Songwriter-Pfaden wandelt.

The Girl & The Ghost: „Motion Studies“ (popup records)
The Girl & The Ghost: „Motion Studies“ (popup records)

Akustisches Leitmotiv von The Girl & The Ghost ist Möllers empathischer Gesang, der die Songs mit transparenter Energie durchzieht. Eine Art intime Opulenz prägt dieses kleine große Pop-Werk, das von Lars Cölln (Pohlmann, Flo Mega) und Philipp Schwär (Fynn Kliemann, Cäthe) produziert wurde. In ihren Liedern erzählen The Girl & The Ghost von inneren Blockaden und äußerem Druck, von Nähe und Unrast, vom Suchen und Scheitern. Zutiefst menschliche Themen, bewegend präsentiert.