Hamburg. Das Ensemble Resonanz und Jens Harzer im Großen Saal. Nicht alles gelang gleichermaßen gut. Texte im Programmheft hätten geholfen.

Der zarte Celloton am Anfang ist kaum hörbar. Schmerzhaft gehaltene Töne, vorsichtige Glissandi bringen allmählich Bewegung in die Musik, es wird erregt und wild. Im Text ist von „stürzendem Wasser“ die Rede. Hölderlin. In der Mitte beim Konzert des Ensemble Resonanz im Großen Saal der Elbphilharmonie sitzt Thalia-Theater-Schauspieler Jens Harzer, umgeben von vier Musikern. Vor ihm ein Mikro. Zu wenig kommt aber zum Beispiel in Etage 15 an, man versteht die wunderbare Poesie von Hölderlin nur fetzenweise, manchmal gar nicht. Schade. Die Texte im Programmheft abzudrucken hätte geholfen.

Hans Zenders „Hölderlin lesen I für Streichquartett und Stimme“ ist ein berührendes Stück, eine ins Mark gehende, die Sinne zerreißende Konfrontation von neu und alt, stilistische Anklänge an Zwölftonmusik und Fragmente von Beethoven. Faszinierend mit welcher Passion, Präzision und Detailgenauigkeit Gregor Dierck, Barbara Bultmann, Tim-Erik Winzer und Saerom Park vom Ensemble Resonanz spielen. Von dieser Unbedingtheit hätte man sich bei Jens Harzer auch gern etwas gewünscht, er wirkte seltsam unbeteiligt.

Beethovens Fünfte: Phasenweise kommt einem alles irgendwie gehuscht vor

Davon konnte dann beim zweiten Stück nicht die Rede sein: Beethovens Fünfte. Eine gute Idee, Hölderlin und Beethoven im Konzert zu verbinden, beide feiern ihren 250. Geburtstag in diesem Jahr. Dirigent Riccardi Minasi geht Beethovens bekanntestes Werk wie unterm Brennglas an. Jedes Detail ist fokussiert, manchmal ein bisschen zu sehr. Einzelne Motive knallen plötzlich heraus. Da fehlt dann der weite Atem. Und der volle Klang. Das mag zum einen auch an der extrem sparsamen Besetzung im Orchester liegen – nur sieben erste, sechs zweite Geigen, drei Kontrabässe –, aber es könnte auch mit dem Coronabedingten Abstand zwischen den einzelnen Musikern zu tun haben, die sich ja so weniger gut hören können. Ein voluminöser Klang entsteht nicht, eher ein gelegentlich angespannter.

Minasi setzt auf Beethovens rhythmische Energie. Zwar geht die Genauigkeit nie verloren – Respekt! – , doch gerade im ersten und letzten Satz wirkt das Tempo zu schnell, ja gehetzt. Phasenweise kommt einem alles nur angedeutet, irgendwie gehuscht vor.Dem gerade bei Beethovens Fünfter so gefährlichen falschen Pathos widersteht Riccardo Minasi allerdings erfolgreich. Sehr trocken gestaltet er etwa den ins Lyrische gehenden zweiten Satz. Geheimnisvoll gelingen die extrem leisen Stellen beim Übergang vom dritten in den letzten Satz. Viel Begeisterung für eine intellektuell ausgefeilte Sicht auf einen Klassiker, dem aber doch eine Spur mehr Ruhe gut täte.