Hamburg. Am Tag des HSV-Desasters liefern der frühere Stadionbarde und die Barmbek Dream Boys ein Konzert mit Gänsehaut-Momenten.

„Once in a lifetime“ lautet das Motto des Cruise Inn, des Alternativveranstaltungsortes im Corona-Konzert-Sommer, und wenn es einen Künstler gibt, zu dem dieses Format passt, dann ist es der 53 Jahre alte Gerrit Heesemann alias Lotto King Karl. Liebhaber PS-starker Sportwagen, gern gesehener Gast bei Porsche-Präsentationen, sporadischer HVV-Nutzer (die etwas unglaubwürdige Werbekampagne von 2014).

Man könnte, mit böser Zunge, behaupten, dass ein Sänger, der seine nicht vorhandene Stimme so dermaßen zelebriert, prädestiniert dafür ist, vor Autos aufzutreten. Man könnte aber ebenso sagen, dass Lotto King Karl genau die richtigen Entertainer-Qualitäten dafür besitzt, um trotz fehlender Liveatmosphäre ordentlich Stimmung an den Hafen zu bringen.

Die Zuhörer in ihren Golf GTI, Porsches, Geländewagen, er hatte sie alle in der Tasche mit seinen flapsigen Sprüchen über die Komplexität des Lebens, die man am besten mit mehreren halben Litern Holsten runterspült. „Wir trinken Bier auf der Bühne, weil wir nicht so gut tanzen können wie Britney Spears. Sorry, ihr dürft das ja nicht“, schnodderte er gewohnt nasal in Richtung Publikum und stimmte dann das erste Liebeslied „360 Grad“, den titelgebenden Song seines zuletzt veröffentlichten Albums an, danach „Ich liege nirgendwo richtig (nur neben dir)“ bei untergehender Sonne vor Hafenkränen und Kreuzfahrtschiffen. Heimspiel-Atmosphäre in Steinwerder. Mehr Hamburg-Gefühl geht nicht.

Lotto King Karl umschifft das Thema HSV

Und das ist eigentlich auch schon alles, was man von einem Lotto-Konzert erwartet. Das 25. Bühnenjubiläum mit seinen stark und bestens gelaunt aufspielenden Barmbek Dream Boys hatte er sich sicher anders vorgestellt. Mindestens im Stadtpark, wo der Deutschrocker eine Institution ist, so wie er es über Jahre im Volksparkstadion gewesen ist. Nun war ausgerechnet dieser für den HSV so desaströse Sonntag sein erstes Konzert seit Mitte März, „ein kleines Comeback“, so der Sänger, der mangels Publikumskontakt viel mit seinen Kollegen kommunizierte und das Schreckthema ansonsten elegant umschiffte.

„Heute hat eine Stadt, von der man bis vor Kurzem gar nicht wusste, dass sie überhaupt existiert, verdient gewonnen“ (Sandhausens Sieg über Hamburg); und dann kam auch schon der Boogie-Woogie-Song „Elvis lebt in Bielefeld“ (dem sicheren Aufsteiger in die Erste Liga). Eigentlich die perfekte Tanznummer; stattdessen klopften die Zuhörer aufs Autodach und grölten bei „Malaria“ und „Im Himmel gibt’s keinen Alkohol“ durch heruntergelassene Scheiben mit.

Lotto King Karls Liebeslieder zum Mithupen

Das (Licht)Hup-Konzert war da in voller Fahrt und der Mann des Abends in seinem Element. Fehlte nur noch das herb-schmusige „Ich liebe dich (wie der Hamburger sein Holsten)“ und der Hit „Fliegen“. Schon fürchtete man, als es kurz vor 23 Uhr gen Heimfahrt ging, das als HSV-Hymne berühmt gewordene „Hamburg, meine Perle“ würde aus gegebenem Anlass verschmäht. Doch das hätten ihm die Fans nicht verziehen. Also zum Schluss noch mal Gänsehaut-Gefühl bei „Wenn ich weit, weit weg bin ...“. Und als Zugabe „Unten am Hafen“. „Danke, dass ihr dabei wart. Das hat uns viel bedeutet.“

Als die Motoren starten, ist Lotto schon von der Bühne runter, nur seine Musiker winken zum Abschied mit den Kabeln. „König Karl“ hat sich mit diesem Konzert einen weiteren Titel erworben: Er ist der Mann, der Liebeslieder zum Mithupen schreibt.