Hamburg. Literatur statt Polizeiruf: Der Schauspieler Uwe Preuss hat sein erstes Buch geschrieben: „Katzensprung“ - es lohnt die Lektüre.
„Gesichtsprominenz“ ist jene Sorte Berühmtheit, bei der man zwar sofort das Antlitz als bekannt erkennt, aber den Namen nicht parat, womöglich sogar: noch nie bewusst gehört hat. Uwe Preuss dürfte fast jeder schon einmal auf dem Bildschirm gesehen haben. Er ist ein hintergründiger Schauspieler, gut beschäftigt dazu, hat mit Dominik Graf (zum Beispiel für „Im Angesicht des Verbrechens“) gedreht und mit Karoline Herfurth, hat Markus Fuchs (angelehnt an Markus Wolf) in „Deutschland 86“ gespielt und Friedrich Flick im Doku-Drama „Die Flicks“. Er war in der Serie „4 Blocks“ besetzt und immer wieder im „Tatort“; im Rostocker „Polizeiruf 110“ spielt er den Vorgesetzten von Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau. Ein prima Behördengesicht, ein Typ, der sich mit randloser Brille schnell zum Aktenreiter wandeln lässt. Aber womöglich auch: ein Unterschätzter.
Denn Uwe Preuss, Jahrgang 1961, ist eine Doppelbegabung. Wie lässig er das Unaufdringliche, Alltägliche nicht nur vor der Kamera sichtbar macht, sondern auch in Geschichten zu fassen vermag, das zeigt nun sein literarisches Debüt: „Katzensprung“ (S. Fischer), erschienen mitten in Corona-Zeiten und also ohne begleitende Lesereise, obwohl man hier besonders gern die Stimme des Autors beim Vorlesen gehört hätte.
Lakonische Lebensgeschichten
Lakonische Lebensgeschichten sind es, die Uwe Preuss von sich und seiner Familie erzählt, autobiografische Schlaglichter, nüchtern notiert in knappen Sätzen, hier und da zurechtgesponnen vielleicht, vielleicht auch nicht, kein Wort zu viel. Heimat ist der rote Faden, der sich durch vermeintlich unsortierte Szenen und durch drei Generationen schlängelt. Rückblicke und Einblicke von einem, der „diverse Anläufe bei der Berufswahl“ brauchte, wie der Verlag es charmant formuliert. Industriekaufmann im Laborbau, Kantinenleiter auf dem Bau, Lagerist in einer Stahlgießerei.
Unter anderem. Und so beeinflussen die Zeitläufte – die deutsche Teilung spielt eine große Rolle – und vor allem eine gewisse persönliche Sprunghaftigkeit der Charaktere das Buch auch formal. Mal spielen die Episoden jetzt, mal früher, mal in Brasilien, mal in der DDR – so ungewöhnlich vor allem diese Kombination erscheinen mag, in beiden Ländern wuchs Preuss nun einmal auf. Sein Vater arbeitete als Ingenieur, der kleine Uwe (der bei Omi bloß „Na, mein Junge“ hieß und dessen Opi ein Loch im Gesicht hatte) wurde in Sao Paulo groß. Sich in den realsozialistischen Alltag der DDR einzufinden, fiel ihm (oder: seinem literarischen Alter Ego) anschließend nicht leicht, irgendwann musste er raus.
Es kommen vor: Wählscheiben und Westschokolade, Frolleins und umtriebige Kerle. Abschiede (davon eine ganze Menge), mundartliche Dialoge („Hörn Se auf mit dem Quatsch und stör’n Se nicht“), trockene Beobachtungen („Der Pförtner wie immer: Tach.“). Ein gelungener, schmaler Band, der viel über das Leben und das Miteinander (oder manchmal: das Nebeneinander) der Menschen erzählt. Der nicht viele Worte macht, dafür aber die richtigen.
Uwe Preuss, diesen Namen sollte man sich mal merken.