Hamburg. Die deutsche Erstaufführung von „Die Tür mit den sieben Schlössern“ ist in Frank Thannhäusers Regie ein voller Erfolg. Alles stimmt.
Film und Theater sind nie dasselbe und schwer zu vergleichen. Noch dazu, wenn sie auf Romanen von Edgar Wallace beruhen. „Die Tür mit den sieben Schlössern“ gehörte in den 60er-Jahren in Deutschland zu den sechs Edgar-Wallace-Verfilmungen, die in der Erstaufführungswoche mehr als drei Millionen Besucher ins Kino lockten.
Die Kritiken waren damals gespalten, teils sogar vernichtend. „Ein ärgerliches Gemisch von grober Gruseltaktik und ein paar heiteren Momenten“, hieß es etwa in „Der Tag“. „Der Wallace-Film ist anfangs beinahe launig, doch später bietet er nur noch widerwärtige Grusel“, urteilte der „Evangelische Filmbeobachter“ über den Film von 1962.
Minutenlanger, ehrlicher Beifall fürs Ensemble
Frank Thannhäuser kennt auch die Unterschiede zwischen Film und Roman. Hat er doch in der Vergangenheit zahlreiche Wallace-Bücher ins Deutsche übersetzt, um die Werke des „Meisters“ für sein Imperial Theater bühnentauglich zu machen. Und: Mit dem 14. Wallace-Krimi ist dem Intendanten, Regisseur und Ausstatter mit seinem Ensemble ein großer Wurf gelungen, mithin eine der bisher besten Wallace-Adaptionen. Sie dürfte den Ruf des Imperials als Deutschlands führendes Krimitheater festigen. Der minutenlange, ehrliche Beifall des Publikums für alle Beteiligten nach der deutschsprachigen Erstaufführung war dafür nur ein Indiz.
Denn an dieser Inszenierung stimmt alles: Spannungsaufbau, Timing, Musik, Bühne und Kostüme, umgesetzt von acht vortrefflichen und ideal besetzten Schauspielern. So entsteht ein zeitloses Krimi-Vergnügen, wie so oft im Imperial dargeboten mit einem Augenzwinkern und einem Schuss Ironie.
Nicht nur eine Kostüm-, auch eine Verbalschlacht
Wobei – bis der erste Tote zu beklagen ist, dauert’s eine Weile. Das insbesondere im ersten Teil dialoglastige Stück ist von der Handlung recht vielschichtig, um nicht zu sagen komplex. Und derjenige, um den es geht, ist gar nicht zu sehen: John Selford. Am 25. Geburtstag des Sohnes des vor zwei Jahrzehnten verstorbenen Lords soll die Gruft geöffnet und der Selford-Schatz an ihn ausgehändigt werden. Doch eine Tür mit sieben Schlössern versperrt den Zugang zur Gruft, in der sich der alte Selford mit Familienjuwelen begraben ließ.
Der Lord hatte die Schlüssel noch zu Lebzeiten unter seinen Vertrauten verteilt. Das sorgt naturgemäß für Habgier und Missgunst. Und so gerät das von Selfords Vermögensverwalter Arthur Havelock (mal melancholisch, mal zynisch: Janis Zaurins) kurz vor Johns 25. Geburtstag arrangierte Treffen auf dem Schloss nicht nur zur Kostüm-, sondern auch Verbalschlacht.
Und das Wort führen hier die Damen, besser besagt Frauen, böse ausgedrückt „Drachen“ und „Gouvernanten“ Emily Cody (Marina Zimmermann) und Milicent Lansdown (Iris Schumacher). Erstgenannte spielt die Rolle der Furie richtig schön aus, drangsaliert wahlweise ihren Mann Bertram alias „Bertie“, von Dieter Schmitt als Softie unter der Knute stark verkörpert, oder ihren Neffen, den polizeibekannten Gangster Tommy Cawler (mal hart, mal zart und bewusst stotternd: Patrick Michel) als „Knastvogel“. Ihr gegenüber sorgt Schumacher als ständig um ihre Tochter Sybil (erfrischend: Stefanie Wennmann) besorgte Mutter mehrmals für Lacher – da sprühen die Funken, da fliegen die Giftpfeile.
„Nichts geht über einen Mord zur Pause“
Apropos: Für die Abteilung Gift ist der Pseudo-Arzt Dr. Stalletti zuständig, der sich außer auf das Sammeln von Bechern auf alte Folterwerkzeuge spezialisiert hat und ebenfalls polizeibekannt ist. Als Interims-Schlossherr zuckt Sönke Städtler – wie in allen Wallace-Krimis im Imperial eine zwielichtige Größe – immer mal wieder mit der linken Gesichtshälfte in dieser seltsamen Gesellschaft. Zu der hat Notar Havelock sicherheitshalber noch den Privatdetektiv Dick Martin (smart: Christian Richard Bauer) gebeten. Man weiß ja nie ...
Wer hat die Schlüsselgewalt? Wer ist der entscheidende Türöffner? Wer trägt noch ein dunkles Geheimnis? Das sind hier die Fragen. Und just als ein Herr im dunklen Saal murmelt „Jetzt könnte mal was passieren“, liegt er da, der erste Tote. Frei nach Thannhäusers bewährter Krimi-Devise „Es geht nichts über einen guten Mord zur Pause“.
Umso rasanter gerät der zweite Teil. Die Spannung steigt, die Wahl der Waffen wird vielschichtig, die Zahl der Schlüsselträger überschaubarer, bis es aus der Halle des Schlosses dank eines Kulissenwechsels noch in die Gruft geht. Sogar mit einem Happy End. Doch diese Liebe pflastern einige Leichen. Wie schön für Krimi-Fans, dass sich „Die Tür mit den sieben Schlössern“ noch bis Februar 2021 regelmäßig öffnet.
„Die Tür mit den sieben Schlössern“ bis Februar 2021, jew. Do–Sa, 20.00, Imperial Theater (U St. Pauli), Reeperbahn 5 Karten zu 21,- bis 39,-: T. 31 31 14; www.imperial-theater.de