Hamburg. Zum Auftakt ihrer “Hamburg Trilogy“ begeistert die Singer-Songwriterin in der ausverkauften Laeiszhalle. Und ihr Partner überrascht.
Tina Dico liebt Hamburg. Mit der Hansestadt verbindet sie nur die allerbesten Erinnerungen. Von einem unvergesslichen Konzert 2017 in der Elbphilharmonie bis zu einem verregneten Open-Air-Auftritt im Sommer 2018 vor dem Museum der Arbeit, den sie abbrechen musste und vor kleiner Runde kurzerhand backstage unplugged fortsetzte. Für dieses Jahr hat sich die dänische Folk-Sängerin deshalb etwas Besonderes überlegt: Sie nennt es „The Hamburg Trilogy“. Drei Konzerte an drei Tagen, drei unterschiedliche Säle, Besetzungen, Setlists.
Tina Dico trägt das Outfit vom Albumcover
Am Montag geht es mit erlesenem Quartett in der ausverkauften Laeiszhalle los. Mit dosierter Intimität und einem Hauch von „Hygge“ und Gemütlichkeit. Beachtlich vorgewärmt von dem dänischen Jungtalent Nicklas Sahl, solle es ein Abend von „purer Schönheit“ in diesem ehrwürdigen Saal werden, verspricht die Sängerin.
Und das gelingt ihr auch tatsächlich. Nach den ersten Takten von „Not Even Close“ aus ihrem aktuellen Album „Fastland“ verzieht sich der üppige Bühnen-Nebel Richtung Orgel und die Putten scheinen zufrieden auf die Sängerin hinab zu lächeln. Magie stellt sich ein. Tina Dico trägt sogar den gleichen langen geblümten Rock und die weiße Bluse vom Albumcover, das lange Blondhaar hat sie zu engelhaften Korkenzieherlocken gezwirbelt. Das Äußere unterstreicht die Authentizität ihrer feinen, musikalischen Skizzen noch.
Tina Dico klingt live mehr nach Moll
Es ist etwas Geheimnisvolles um die Lieder der Dänin, die in ihrer Heimat unbestritten die erfolgreichste Singer-Songwriterin ist. Fünf mal führte sie dort bereits die Album-Charts an. Längst ist die Begeisterung für Tina Dico nach Hamburg geschwappt. Sind ihre Alben eher von Harmonie und Sparsamkeit geprägt, wirken sie in den Live-Arrangements durchweg reicher, satter, mehr nach Moll.
Und das bekommt ihnen gut. Ob zurückhaltender Folk-Song oder eher Pop-Hymne, alle Lieder leben von Tina Dicos ungeheuer wandlungsfähiger Stimme. Live wird ihr dunkles Organ durch den häufig chorischen Gesang ihrer musikalischen Mitstreiter beinahe sakral verstärkt. Und immer steckt darin auch ein Hauch von Woodstock. Manchmal wie etwa in dem hippie-haften „Someone You Love“ sogar von Fleetwood Mac.
Helgi Jónsson marschiert mit Posaune
Dico kann auf eine Band aus erstklassigen Musikern bauen. Der vielseitige Helgi Jónsson, Komplize und Lebensbegleiter, mit dem Tina Dico mittlerweile auf Island lebt, entlockt seinen Keyboards verträumte Klavierläufe oder aparte Retro-Harmonien, greift aber auch mal zur Posaune und marschiert mit ihr durch den Saal. Ein Gitarrist und eine Drummerin komplettieren die Band.
Schon nach den ersten Songs ist klar, dass in Tina Dico eine Rebellin steckt – und weniger eine nordische Elfe. Wenn sie mit „Moon to Let“ früh in den Saal-Himmel abzuheben scheint, singt sie davon, wie sehr sie schon immer andere Planeten, neue Räume, Welten, Möglichkeiten fasziniert haben.
Tina Dico gibt sich mitteilsam und offen
Nach eher volleren Arrangements gibt es auch einen zarten Mittelteil, der sich fast zum erweiterten Solo an der Akustik-Gitarre entwickelt, aber für die ganz ruhigen Songs wie „Hands“ vorzüglich passt. Dazwischen gibt sich Dico mitteilsam, offen. Teilt Anlässe für Songs ebenso wie Reaktionen des Publikums. Sogar eine Ehe soll sie gerettet haben.
In all den Ungewissheiten und rasanten Veränderungen der heutigen Welt, wo, wie sie sagt, nichts von verlässlicher Dauer ist, kann man wenigstens auf eines zählen: Die Musik. „Ein Song wird immer für Dich da sein“, sagt Tina Dico. Und singt wie zur Unterstreichung „In Love and War“ aus dem frühen Werk „The Road to Gävle“.
Tina Dico meistert auch ein Kiwanuka-Cover
Als stilsichere Songwriterin wagt sie sich auch ins unwegsame Gelände der Cover-Versionen. An diesem Abend spielt sie gleich drei, alle glücken ihr erstaunlich gut. Joni Mitchells warmherziges „Woodstock“ verzaubert mit prägnanter Akustik-Gitarre und Chorgesang.
"Helplessly Hoping“ von Crosby, Stills, Nash and Young verbreitet zart und filigran instrumentiert einen seltenen Optimismus. Und ziemlich eigenständig glückt dem Quartett auch die Soul-Hymne „Love Hate“ des derzeit angesagten US-Songwriters Michael Kiwanuka.
Tina Dico reißt Zuhörer von den Sitzen
Das Publikum lauscht über weite Strecken andächtig, doch bei Tina Dicos Hit „Spark“ hält es niemanden mehr auf den Sitzen und Tina Dico kann auf einen textsicheren Chor aus Hamburger Stimmen bauen.
In „Count To Ten“ schüttelt sie das Leben durch. Dico schließt die Augen und zählt bis zehn. Und als sie sie wieder öffnet, ergibt scheinbar alles einen Sinn. Ach, wenn das nur immer so einfach wäre. Aber das ist das Glück des Pop. Alles scheint möglich. Und wenn etwas noch kein gutes Ende gefunden hat, kann man es zumindest herbeisingen.
Zum Ende des Abends hin muss die Sängerin immer mehr Wasser nachschütten, um ihre Stimme geschmeidig zu halten. Die soll schließlich noch zwei Abende – in der Großen Freiheit und im Mojo Club – halten.