Hamburg. Der Musiker trug in der Laeiszhalle Geschichten aus seinem Buch über die Toten Hosen vor. Ein Abend, so intensiv wie ein Konzert.

Früher, als Teenager, da habe ihn seine Mutter zum Neujahrskonzert in die Laeiszhalle geschleppt, erzählt Thees Uhlmann auf der Bühne eben jenes Konzertsaals. Im alten Konfirmationsanzug statt in zerrissenen Jeans. Traditionell wurde die Neunte Sinfonie gegeben.

Sie habe ihrem Sohn etwas Gutes tun wollen. Schließlich ertönten doch die Versatzstücke Beethovens damals, Ende der 80-er, jeden Tag lautstark aus Uhlmanns Jugendzimmer. Es handelte sich allerdings um die Gegen-den-Strich-Bürstung des Klassikers durch Die Toten Hosen auf ihrem Album „Ein kleines bisschen Horrorschau“.

Thees Uhlmann liest Anekdoten in der Laeiszhalle

Es war die Zeit, in der Punk-Euphorie auf ahnungslose Eltern stieß. Und wenn der Musiker und Autor Thees Uhlmann Anekdoten wie diese erzählt und vorliest, dann reist ein ausverkaufter Saal mitgealterter Musikliebhaber in wohliger Nostalgie mit in diese subkulturelle Vergangenheit.

Der 45-Jährige hat ein kleines feines Buch über Die Toten Hosen geschrieben (Kiepenheuer & Witsch). Wobei die Leser wesentlich mehr über den Verfasser erfahren als über die Düsseldorfer Band. Und das ist sehr schön so. Denn was sind Bands denn schon ohne ihre Fans?

Uhlmanns erstes Toten-Hosen-Konzert – in Hamburg

Wenn „Uhlo“ die Reise vom niedersächsischen Hemmoor nach Hamburg zu seinem ersten Hosen-Konzert schildert, dann entzünden sich in jedem Zuhörer ganz eigene Erinnerungen an musikalische Erweckungserlebnisse. Zudem ist Uhlmann in seiner ganzen Uhlmannhaftigkeit schlichtweg eine Unterhaltungsgewalt.

Er liest, als trage er den heftigsten Rocksong vor: unter Strom, leicht vorgebeugt und ein Druck in den Worten, als müsse er die Geschichten exakt jetzt noch einmal erleben. Rasen mähen und Walkman hören. Apfelkorn und Stagediving. Sich verlieren und finden in Musik.

Lesung mit Thees Uhlmann – so intensiv wie ein Konzert

In einem Mix aus feinen Weisheiten und groben Kalauern, aus Pathos und Selbstironie erleben die Anwesenden, wie Uhlmann vom Fan allmählich zum Kollegen wird. Wie er mit seinem eigenen Label Grand Hotel van Cleef in den ersten Tagen improvisiert. Und wie Hosen-Manager Patrick Orth anruft, um sich das Ganze mal anzusehen. Wie Freundschaften entstehen und bleiben. Wie er mit Sänger Campino einen neuen Band-Aid-Song schreibt. Und wie sie danach zur Currywurstbude gehen.

Uhlmann brennt an beiden Enden. Wenn er ein neues Kapitel ankündigt, sagt er: „Ich baller’ jetzt noch ein bisschen.“ Und die Pause leitet er mit dem Wort „Bierattacke“ ein. Eine Lesung so intensiv wie ein Konzert. Und Songs gibt es obendrein. Zur akustischen Gitarre singt Uhlmann Hosen-Stücke wie „Reisefieber“ und eigene Nummern wie
„Avicii“.

Danach Becker-Faust, Hand aufs Herz, viel Applaus – und Abgang.