Hamburg. Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters mit Musik von Ligeti, Sibelius und Weinberg war eine Schleuderpartie.

Hin und wieder ordnet es die Maßstäbe, wenn Konzerte nicht durchgängig rund laufen, weil Sympathien offenkundig ungleich verteilt sind. Die theoretisch sehr raffinierte Kon­trastkombination aus Ligetis oszillierendem Klangfarbenschleier „Atmosphères“, dem gut zur Jahreszeit passenden Sibelius-Violinkonzert und der Dritten des derzeit endlich gewürdigten Schostakowitsch-Zeitgenossen Weinberg, das NDR Elbphilharmonie Orchester, Krzysztof Urbanski und Joshua Bell? Praktisch, zumindest am Donnerstag, eine Schleuderpartie zwischen Großartigem und halbwegs Mittelprächtigem.

Atmosphärisch getrübt begann es, mit dem überirdischen Schillern, das Ligeti spinnwebfein 1961 in einen riesigen Orchesterapparat gewoben und das Stanley Kubrick für seinen Science-Fiction-Klassiker „2001“ genutzt hatte. Subtilste Reibungen und Farbschlieren, ein höchst komplexes Universum, kleinste Verästelungen, der finstere Absturz nach einem Tosen der Kontrabässe, hinein in ein Schwarzes Loch. Doch Urbanski beließ es beim behutsamen Auffächern der Konturen, zu risikounfreudig, zu brav vortastend in unerforschte Weiten.

Orchester wurde mit dem Gast-Solisten nicht warm

Deutlich mehr Vergnügen hatten alle Beteiligten mit der Dritten von Weinberg. Was für ein Stück! Auf angenehmste Weise reizend unberechenbar, randvoll mit raffiniert arrangierten Stilbrüchen, die sich dennoch zu einer Einheit fügten. Große Melodiebögen und dann wieder kleinteiliges Ideenziselieren, in einem Moment hat diese charakterstarke Musik das sanfte Aroma von entkoffeiniertem Prokofiew, im nächsten tauchen Spuren von Ravel auf, sie ist weniger sarkastisch als manche Schostakowitsch-Sinfonien. Und ganz nebenbei voller wunderbarer Momente, in denen Solo-Bläser unaufdringlich glänzen. Orchester und Dirigent waren gemeinsam mächtig verschossen in dieses Stück.

So empathisch und einvernehmlich froh die Weinberg-Belebung auch gewesen war – mit dem Gast-Solisten wollte oder konnte das Orchester und sein Dirigent nicht warm werden. Warum auch immer. An der finnisch kühlen Mentalität von Sibelius‘ Konzert kann es nicht gelegen haben, denn das tauen Solisten normalerweise mit einer großen Portion Herzenswärme blitzschnell auf.

Fazit: Es sollte wohl nicht sein

Hier aber trennte eine unsichtbare Demarkationslinie in der ersten Programmhälfte den Virtuosen vom Rest, es blieb bei einer Runde Sibelius on the rocks. Sonderbare Vorstellung, sehr sonderbare Vorstellung. Auf jeder Seite wurde pünktlich und ordentlich vor sich hin gespielt, doch der Zaun blieb ein Zaun, man fremdelte sich synchron und leicht permafrostig durch die drei bitterherben Sätze; Bells Zugabe – ein eher seifiges Kurkonzert-Arrangement von Chopins Nocturne op. 9 – versöhnte damit auch nur bedingt. Es sollte wohl nicht sein.

Das Programm wird am heutigen Freitag (20 Uhr) komplett und ohne das Sibelius-Violinkonzert am 15.12. um (16 / 18.30 Uhr) in der Elbphilharmonie wiederholt. Evtl. Restkarten.