Hamburg. Budapest Festival Orchestra spielte Werke von Dvorák. Solist beim vierten Beethoven-Klavierkonzert war András Schiff.

Wer weiß, wie oft wir dieses Orchester noch zu hören kriegen. Die ungarische Regierung hat zugesagte Gelder für das Budapest Festival Orchestra gekürzt. 2020 fallen daher eine geplante Tournee, mehrere Projekte und Kooperationen aus. Kein gutes Zeichen – und mindestens seltsam, dass sich Viktor Orbán ausgerechnet am klingenden Flaggschiff dieses besonderen, an Kultur überreichen Landes vergreift.

Im vergangenen März erlebten Künstler und Zuhörer in der Elbphilharmonie eine Sternstunde, als der junge Dirigent Gábor Káli, der kurzfristig für den Chef Iván Fischer eingesprungen war, mit dem Orchester ausgiebig Bartók feierte. Mit dabei war auch der Mädchenchor Cantemus, der die Anwesenden mit ungarischer Volksmusik hinriss.

Elbphilharmonie: Untrügliches Gespür für Tonsprache

Dieses Mal sind die Musiker nun mit Fischer da und geben den ersten von vier Abenden, an denen ihr Landsmann András Schiff in dieser Saison alle fünf Beethoven-Klavierkonzerte spielt, verschränkt mit sinfonischen Werken von Dvorák. Das ist in der Programmierung natürlich nicht so spezifisch wie der unvergessliche Abend vom Frühjahr. Aber auch für die Tonsprache des Tschechen Dvorák haben Fischer und die Seinen ein untrügliches Gespür.

Infos zum Budapest Festival Orchestra

  • Das Budapest Festival Orchestra wurde 1983 von Iván Fischer und Zoltán Kocsis gegründet.
  • Das Orchester war bereits in der Carnegie Hall (New York), der Hollywood Bowl (Hollywood), Suntory Hall (Tokio) und im Theater der Champs-Élysées (Paris).
  • Die Musikerinnen und Musiker des Budapest Festival Orchestra spielen immer wieder auch in Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern oder Gefängnissen, um den Zuhörern dort die Welt der Musik zu eröffnen.
  • 2013 waren Aufnahmen des Budapest Festival Orchestra für den Grammy nominiert.

Statt einer Ouvertüre spielen sie einen Dreiklang der besonderen Art: In der „Legende“ in d-Moll und dem Slawischen Tanz Nr. 2 e-Moll geben sie Kostproben von Dvoráks biegsamer Melodik, in der sich süffige Melancholie und tänzerische Rhythmen so unvergleichlich verbinden. Und mittendrin erheben sich die Damen und Herren, legen die Instrumente beiseite und singen „Nepovim“, zu deutsch „Ich sag’s nicht“, ein Chorlied im Volkston. Dessen anrührende Schlichtheit wird noch einmal unterstrichen dadurch, dass die Stimmen hörbar keine ausgebildeten sind. Naturbelassen eben. Rhythmus, Timing, Intonation sind so piekfein, wie man das von Orchestermusikern erwarten darf.

Das slawische Kolorit lassen sich die Musiker nicht entgehen

Mit diesem starken Eindruck mitzuhalten, hat es selbst Beethovens berühmtes viertes Klavierkonzert nicht ganz leicht. Schiff nimmt den leisen Anfang nicht weihevoll, sondern fast beiläufig. Im Sommer war der große Eigenwillige, erklärter Bösendorfer-Anhänger, medienwirksam über Steinway-Flügel hergezogen, nun spielt er doch einen. Man hört es. Der Ton ist hell, bisweilen scharf. Schiff artikuliert plastisch, aber der erste Satz wirkt irgendwie kühl, digital. Erst im langsamen Satz verbindet er sich mit dem Orchester zu einem milderen Duktus.

Das Publikum verlangt eine Zugabe – und was tut Schiff? Setzt sich ans Klavier und begleitet den Orchesterchor bei Haydns Lied „Die Beredsamkeit“, einem kurzen frechen Stück, das dem Hörer sogar den Schlussakkord vorenthält. Den schlägt der Dirigent mit sichtlichem Amüsement ins Leere.

Nach der Pause wird’s ernst. Dvorák arbeitet in seiner siebten Sinfonie redlich die Motive durch, als wäre er bei Brahms in die Schule gegangen, bisweilen klingt sogar Wagner an. Doch das unwiderstehliche slawische Kolorit lassen sich die Musiker nicht entgehen. Die zweiten Geigen murmeln, als schilderten sie einen Bach, und die Holzbläser schwingen sich zwitschernd auf in einen Abendhimmel, von dem niemand weiß, wie ihn sein Schöpfer im nächsten Moment umfärben wird. Für diese Ehrlichkeit der musikalischen Empfindung und diese Spielfreude lieben wir Dvorák. Und seine Interpreten.