Hamburg. An gleich drei Abenden hat die Berliner Band die Große Freiheit 36 ausverkauft. Tosender Applaus von Anfang bis Ende.

Wenn eine Schülerband es schafft, auch Jahre nach der Abschlussfeier noch gemeinsam Musik zu machen, ist das grundsätzlich eine feine Sache. Wenn diese Band dann auch noch den musikalischen Durchbruch schafft, lässt sich davor nur der Hut ziehen. Die Berliner Band Von Wegen Lisbeth ist so eine Band.

Im Vorprogramm von AnnenMayKantereit machten die fünf Jungs 2014 erstmals vor größerem Publikum auf sich aufmerksam. 2016 veröffentlichten sie ihr Debütalbum „Grande“ mit dem es auf erste eigene Tour ging. Im Mai folgte mit "sweetlilly93@hotmail.com" Platte Nummer zwei und die Zeiten, in denen Von Wegen Lisbeth als Berliner Geheimtipp galten, schienen damit endgültig vorbei.

Drei ausverkaufte Abende am Stück in der Großen Freiheit

Anders lässt es sich auch nicht erklären, dass es der Indie-Pop-Band gelang, die Große Freiheit 36 an gleich drei Abenden in Folge auszuverkaufen. Ungeduldig wartet das Publikum am Sonnabend darauf, dass der schwarze Vorhang, der vor die Bühne gespannt ist, endlich fällt. Etwas Geduld ist gefragt, doch dann ertönt plötzlich das charakteristische Von-Wegen-Lisbeth-Glockenspiel, das unisones Fußwippen auslöst.

Als der Blick auf die versetzt stehende Band im roten Scheinwerferlicht freigegeben ist, stimmt Sänger Matthias Rohde gemeinsam mit dem gesamten Saal die Zeilen von „Wieso“, dem Eröffnungslied des neuen Albums an.

Von wegen Lisbeth ist sichtlich gerührt vom Applaus

Der Applaus ist frenetisch, die Band wirkt sichtlich gerührt. „Wir sind ein bisschen aufgeregt“, gibt Rohde zu Beginn des dreitägigen Kiez-Konzert-Reigens zu. Das wirkt genauso sympathisch wie die lässig-nerdigen Hüftbewegungen in den schlichten „Hose-T-Shirt-fertig“-Bühnenoutfits.

Rund zwei Stunden spielen sich von Wegen Lisbeth durch ihre beiden Alben. Das Publikum beweist dabei nicht nur bei den alten Ohrwürmern wie „Meine Kneipe“, „Chérie“ oder „Wenn du tanzt“ Textsicherheit.

Gentrifizierung, Kapitalismuskritik – und Liebeslieder

Ein Blick in die Menge lässt zudem den Schluss zu, dass die Berliner, die es verstehen, Alltagsbeobachtungen gekonnt in äußerst tanzbaren mit vielen Synthies versehenen Indie-Pop zu gießen, nicht nur ihre eigene Generation der Mitte bis Ende Zwanzigjährigen zwischen Studium und Arbeitswelt abholen, sondern auch wesentlich ältere sowie wesentlich jüngere Semester.

Ob das an der Identifikation mit der Zerrissenheit, die zwischen unzähligen Praktika, Tinder-Dates und dem Drang, die Welt zu retten oder der gut gelaunten Vertonung liegt, sei dahingestellt.

Doch wer es schafft, Gentrifizierung, Kapitalismuskritik und sehr gelungene Zeilen über Liebe so schön zu verpacken, dem ist tosender Applaus zu Recht gewiss. In Hamburg auch an mehr als einem Abend.