Salzhausen. Zum Open-Air-Spektakel kamen 13.000 Besucher in die Lüneburger Heide. Dort warteten Maximo Park, Yoga-Exzesse und Fridays for Future.

„Über die Sache mit dem Wollen und dem Sollen, dem Dürfen und dem Müssen“ singt die Band Das Paradies auf dem Festival A Summer’s Tale zu sanft krachenden Gitarren. Die Songzeilen wirken wie gemacht für dieses etwas andere Open Air. Bereits zum fünften Mal steigt in der Lüneburger Heide eine viertägige Sause für alle Generationen, die neben Musik auch einen nachhaltigen Lebensstil feiert. In Workshops und Gesprächsrunden lässt sich da reflektieren, wie es bestellt ist um das eigene Handeln, um das Dürfen und Müssen.

Während der Polkarocker Shantel den bunten „Planet Paprika“ ausruft und zahlreiche Kinder den Sandboden vor der Hauptbühne in eine große Buddelkiste verwandeln, informieren Aktivisten von Fridays for Future, Greenpeace und Viva con Agua an Ständen über ihr Engagement. Eine Gleichzeitigkeit des guten Willens. Gepaart mit Popkultur.

13.000 Fans feiern beim A Summer’s Tale Konzerte von Maximo Park, Suede, Faber, Die Nerven oder Zaz. Neu ist in diesem Jahr die Newcomer-Bühne Sprungbrett sowie ein nächtliches Lagerfeuer mit Gesang zur Wandergitarre. Rund 2000 Gäste mehr könnte das idyllisch verwunschene Areal noch aufnehmen, erklärt der Veranstalter FKP Scorpio. Wichtig sei jedoch, dass der entspannte Charakter des Open Airs nicht verloren gehe.

A Summer’s Tale als utopisches Labor

Vor allem bei Familien hat sich dieses (allerdings nicht ganz günstige) Wohlfühl-Festival offensichtlich durchgesetzt: Eltern schlendern – Bier in der einen, Bollerwagen in der anderen Hand – über das gepflegte Grün, während der Nachwuchs eine der Spielestationen ansteuert. Etwa die Wiesenarena des Hilfswerks Unicef, wo mit Hula-Hoop-Reifen, Balanceübungen und Mitmachhörspiel auch das ein oder andere Kind im Manne oder der Frau hervorgelockt wird.

Viele Gesichter erhalten am Schminktisch zudem einen funkelnden Anstrich mit biologisch abbaubarem Glitzer. Gewiss nicht sonderlich gut kompostierbar ist das blau glänzende Jacket von Soulsänger Lee Fields. Dafür hält aber auch die von ihm versprühte Liebe gefühlt für die Ewigkeit.

A Summer’s Tale mutet an wie ein utopisches Labor. Und dass der beschworene Zusammenhalt nicht bloß für Jüngere gilt, zeigt zum Beispiel Oll Inklusiv: Die gemeinnützige Initiative ist mit Menschen 60 plus angereist, die unter anderem die schmissig vorgetragenen Hit-Interpretationen des Hamburger Kneipenchors bejubeln.

Eine Band, die die Doppelmoral fein verhandelt

Jedes Alter und Gemüt, so scheint es, findet seine Nische. Sei es ein Schauspielkursus, in dem unter viel Gelächter überartikuliert Sätze wie „Hallo Mausipupsi“ nachzusprechen sind. Sei es ein wenig Selbstinszenierung – wie die Mutter, die mit Kind auf dem Rücken in komplizierter Yoga-Pose vor einer Installation aus Discokugeln posiert.

Apropos Yoga: Abseits des Trubels können sich Festivalgänger auf dem sogenannten Luhedeck in Achtsamkeit üben. „Lasst euch nicht ablenken und nutzt jedes Geräusch, um eure Aufmerksamkeit noch mehr nach innen zu richten“, instruiert die Yogalehrerin.

Gar nicht so einfach, wenn von der Hauptbühne die Didgeridoo-Exzesse des australischen Ethnopoppers Xavier Rudd herüberwehen. Da fällt das Tanzen zur subversiven Disco der Goldenen Zitronen schon leichter. Eine Band, die die Doppelmoral dieser Tage fein verhandelt. Nur Wohlfühlen allein reicht eben nicht.