Einfach mal reinhören in Neuerscheinungen der Sopranistin Anna Prohaska, Geigerin Patricia Kopatchinskaja und Sängerin Barbara Hannigan.
Es ginge auch ganz einfach: Ein bis zwei Komponisten, hübsche Stücke, fertig ist die x-te CD. Der Markt ist voll damit, zu voll. Die Sopranistin Anna Prohaska macht sich für ihre Alben lieber viel, sehr viel zeitraubende Mühe. Nach einem Konzeptalbum über Sirenengesang und einem über das Grauen von Kriegen ist „Paradise Lost“ (Alpha, ca. 17 Euro) noch besser durchdacht, noch erlesener kuratiert. Es geht um Adam und Eva, den Sündenfall und dessen Folgen.
Zwei Dutzend oft nur kurze Lieder, etwa 20 Komponisten – Purcell, Ravel, Bernstein, Brahms, Strawinsky, Ives, Schubert Mahler, Crumb – aus drei Jahrhunderten, in mehrere Themen-Kapiteln angeordnet. Einerseits fühlt man sich als Publikum durch so viel Vordenken angenehm herausgefordert. Andererseits ist es durchgängig reizend und hinreißend, wie passgenau und ausdrucksstark Prohaska und der Pianist Julius Drake mit diesem Material beeindrucken können. Das Album ist beileibe kein Ersatz für den Auftritt, den Prohaska beim Musikfest in Messiaens „Saint Francois“ in der Elbphilharmonie gehabt hätte. Es verstärkt aber die Vorfreude aufs Live-Wiederhören.
Drei starke Künstlerinnen und starke Konzept-Alben
Auch die Geigerin Patricia Kopatchinskaja ist nicht dafür bekannt, auch nur ansatzweise konventionell zu sein, wenn es um ihre Programme geht. „Time Eternity“ (Alpha, ca. 16 Euro) ist deswegen auch kein „schönes“ Album, ganz im Gegenteil. Im Zentrum stehen das „Concerto funebre“ von Karl Amadeus Hartmann und Frank Martins „Polyptique“, umrahmt durch geistliche Musik aus dem Mittelalter von Machaut und Choralbearbeitungen aus Bachs „Johannes-Passion“, mit einer „Kol Nidre“-Bearbeitung des New Yorker Saxophonisten John Zorn als Auftakt.
Leid, Opfer, Trauer, Gebetstexte mehrerer Weltreligionen. Nur die ganz großen Themen, nur die ganz großen Ansprüche, die ganz schwierigen Fragen. Unbequem und anstrengend ist diese Hör-Lektion, und Kopatchinskaja stellt die zerklüftete, verzweifelt nach Erlösung und Gerechtigkeit suchende Musik mit drastischer Überzeugungskraft vor. Mit Klangschönheit um der Klangschönheit willen mag dieses Programm nichts zu tun haben. Die Camerata Bern, bei der Kopatchinskaja seit einigen Jahren als künstlerische Leiterin tätig ist, begleitet diese Sinnsuche, wie heißt es so schön: kongenial.
Barbara Hannigan mit persönlichem Konzept-Album
Noch eine starke Persönlichkeit, noch ein persönliches Konzept-Album: Barbara Hannigan, Sängerin und Dirigentin, mit dem Ensemble Ludwig. Und mit drei Komponisten in einem Triptychon, die auf den ersten bis dritten Blick nichts miteinander zu haben scheinen: Luigi Nono, der großartige Schweigsame aus Venedig, dessen „Djamila Boupacha“ (1962) für Solo-Sopran ist ein Ton-Denkmal für eine algerische Freiheitskämpferin. Und Hannigans Stimme zieht sofort in den Bann.
Danach aus dem 20. Jahrhundert zurück in die Wiener Klassik. Zu Haydns 49. Sinfonie „La Passione“, sehr ordentlich abgeliefert, die dem Album (Alpha, ca. 16 Euro) seinen Namen gibt und einen Ruhepunkt. Die Repertoire-Rolle vorwärts endet bei Gérard Griseys letzter Komposition „Quatre Chants Pour Franchir Le Seuil“ (1999).
Vier Lieder vom Überschreiten der Schwelle, eine Meditation über Tod und Vergehen. Ein Meisterwerk der Avantgarde und das Hauptwerk dieser Kombination von Leidens-Vertonungen aus mehreren Jahrhunderten. Hannigan dirigiert und singt, eine ziemlich einzigartige Doppelbegabung, die diese Aufnahme noch faszinierender macht.