Die Musikmetropole Hamburg kann optimistisch in die Zukunft schauen. Beim vierten Jahreskonzert in der Laeiszhalle überzeugen die Nachwuchsmusiker mit Willen, Ausgelassenheit und Begeisterung.

Hamburg. Wie steht es um die Zukunft der Musikmetropole Hamburg? Bestens. Davon konnte man sich an diesem Wochenende gleich zweimal in der Laeiszhalle überzeugen, wo am Freitag das vierte Jahreskonzert von The Young ClassX eine mitreißende, eine einzigartige Erfolgsgeschichte fortschrieb. Das Projekt arbeitet mit großer Unterstützung der Otto Group – und es ist für den Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Otto ein Herzensangelegenheit, schließlich wurde er selbst, wie er bei der anschließenden Feier im Brahms-Foyer erzählte, schon in der Schule mit Musikbegeisterung infiziert.

Sein Unternehmen ist an der Finanzierung beteiligt und hilft auch organisatorisch nicht zu knapp. Ein Anschub, sagt Young-ClassX-Geschäftsführer Tobias Wollermann, ohne den so ein Projekt die Anfänge nicht hätte stemmen können. Inzwischen hat man an 54 Hamburger Schulen 6500 Kinder und Jugendliche erreicht, fast aus dem Nichts heraus Chöre gegründet und sammelt junge Orchestermusiker im Felix-Mendelssohn-Jugendsinfonieorchester und dessen Junior-Ableger.

Die integrative Kraft der Musik war mit Händen greifbar an diesem Abend und verzauberte die 600 Mitwirkenden und 2000 Zuhörer gleichermaßen. Wie The Young ClassX das schafft? Dadurch, dass die Freude an der Musik, am Singen und Spielen im Vordergrund steht. Das reicht von Brahms- und Mozart-Sinfonien über Bartok bis zur Filmmusik aus James Bond, zu feinen Marimbaphon-Klängen vom Young-ClassX-Solistenpreisträger Tom Postel, 15, und einem hinreißenden Duett mit Stargast Robeats faszinierender, virtuoser, gebälkerschütternder Vokal-Percussion – Popkonzert-Ausgelassenheit vor allem bei den jungen Zuhörern, die an diesem Abend die gesamte Laeiszhalle in einen Ort vibrierender Musikfröhlichkeit verwandelten.

Was sich im zweiten, im Chor-Teil durchaus noch steigern ließ: Zwei Chöre mit je 250 Schülerinnen und Schülern und ihren Solisten traten da an, geleitet vom charismatischen Chorleiter Peter Schuldt, der Freude an der Musik in jedem Ort, in jeder Bewegung verkörpert. Dessen Hamburg-Medley von „Äppel klaun“ bis „Hamburg, meine Perle“, samt Folksongs bei den Kleinen, Pop-Klassikern von Udo Lindenberg, Cy Coleman und Jon Bon Jovi bei den Großen rissen die Zuhörer zu Applaustürmen hin.

Das alles zeigte: Musik ist nicht abgehoben, elitär, sie ist etwas, wo jeder mitmachen kann und wobei jeder selbst neue Fähigkeiten entdecken kann. Wohin diese Chorarbeit führen kann, demonstrierte der hochklassige Auswahlchor, u.a. mit einer großartigen Chorfassung des „Queen“-Titels „Somebody To Love“. Grande Finale mit Miriam Makebas „Pata Pata“.

The Young ClassX – darauf kann die Musikstadt Hamburg stolz sein. Darauf auch: Das Landesjugendorchester, das Top-Jugendensemble der Hansestadt, feierte am Abend darauf sein 45-jähriges Bestehen. Da hatte die Sonne offenbar bei vielen gegen die Musikbegeisterung gewonnen, halb voll war der Saal nur, bedauerlich. Der Stimmung tat es aber keinen Abbruch. Hier hat sich zur Freude am Dabeisein die Lust am professionellen Musizieren gesellt.

Gemeinsam mit Ehemaligen spielte man geleitet von Fausto Fungaroli Schostakowitschs blechbläserstrahlende „Festive Overture“ und Victor de Sabatas feingewebte Tondichtung „Juventus“, eine Hymne auf das Jungsein, auf Ungestüm, Träumereien und dem Sieg über das Böse in der Welt. Große Ehre für die jungen Musiker: Die Tochter des berühmten Dirgenten und Komponisten saß im Publikum, zusammen mit ihrem Mann, dem Stardirigenten Aldo Ceccato, der sich so gleich ein Bild vom Können der des Musikstadt-Nachwuchses machen konnte und sichtlich zufrieden applaudierte.

Tschaikowsky zum Schluss: Die fünfte Sinfonie, ein Kraftakt für die jungen Musiker und einer der gut gelang. Von russischer Melancholie bis zum gewaltigen Marschfinale war das fein ausgearbeitet und mit großer Hingabe musiziert. Sicher: da ist auch noch Luft nach oben, Kleinigkeiten in der Intonation oder hin und wieder ein leichter Hang, das Tempo zu verschleppen. Das ist manchmal auch bei Profiorchestern nicht besser.

Aber was zählt das alles gegen das Können und den unbedingten Willen der jungen Musiker zur Exzellenz? Was die Zukunft der Musikstadt Hamburg angeht, sind sie derzeit deutlich weiter und motivierter und mit mehr Spaß bei der Sache als alle Diskussionen rund um das Leuchtturm-Projekt Elbphilharmonie, das von der Politik nun bitte dringend aus den Niederungen des hässlichen Baustreit ins Fahrwasser der Begeisterung und Freude an der Musik zurück gebracht werden sollte.