Berlin. „Sterben“ gilt als einer der Favoriten beim Deutschen Filmpreis. Das Drama erzählt intensiv vom Alltag und den Problemen einer zerrütteten Familie - und glänzt mit Schauspielprominenz.
Eigentlich wollte er nur einen kleinen Film über seine Mutter machen, sagte Matthias Glasner während der Berlinale. Herausgekommen ist ein dreistündiges Drama über nahezu alle Fragen des Lebens: In „Sterben“ nimmt Regisseur Glasner eine zerrüttete Familie sozusagen unter die Lupe. Das schonungslose Drama glänzt dabei mit deutscher Schauspielprominenz: Corinna Harfouch, Lars Eidinger, Lilith Stangenberg und Ronald Zehrfeld.
Der Titel verrät es schon: Der Film ist keine leichte Kost. Glasner („Der freie Wille“, „Gnade“) hat damit auch seine eigene Familiengeschichte verarbeitet, wie er bei der diesjährigen Berlinale erzählte. Dort lief „Sterben“ im Wettbewerb und wurde mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Beim Deutschen Filmpreis geht er mit neun und damit den meisten Nominierungen ins Rennen. Chancen bei der Verleihung am 3. Mai hat er unter anderem in der Kategorie „bester Spielfilm“.
Keine Herzenswärme bei Familie Lunies
Ausgangspunkt des Films ist der Tod des demenzkranken Vaters Gerd (Hans-Uwe Bauer). Das zwingt die Mitglieder der Familie Lunies, sich wieder miteinander auseinanderzusetzen. Liebe, Zuneigung und Herzenswärme sind Fremdworte für sie. Die Situation eskaliert, als klar wird, dass auch die schwer kranke Mutter (Harfouch) kurz vor dem Ende ihres Lebens steht.
Glasner unterteilt seinen Film in mehrere Kapitel und widmet sie den Familienmitgliedern. Da ist zum Beispiel der egozentrische Tom (Eidinger), ein Dirigent in Berlin. Mit seinem depressiven besten Freund Bernard (Robert Gwisdek) arbeitet er an einem Orchesterstück namens „Sterben“. Toms Schwester Ellen (Stangenberg) hat mit Alkoholexzessen zu kämpfen und bandelt mit einem Zahnarzt (Zehrfeld) an. Im Laufe des Films treffen die Charaktere und deren Konflikte aufeinander.
Glasner: „Film wurde geboren, als meine Eltern gestorben sind“
Besonders überzeugend spielt Harfouch die unnahbar wirkende und kalte Mutter Lissy. Ihrem Sohn Tom gesteht sie am Küchentisch bei Kaffee und Kuchen, dass sie ihn nie lieben konnte und er ein Unfall war - ausgerechnet am Tag der Beerdigung ihres Mannes. Und auch Tom hat seiner Mutter eigentlich nichts mehr zu sagen. Diese beklemmende Szene gehört mit zu den stärksten und intensivsten Momenten des Films. Eidinger und Harfouch sind beim Deutschen Filmpreis für die beste männliche und weibliche Hauptrolle nominiert.
„Der Film wurde geboren in dem Moment, als meine Eltern gestorben sind innerhalb kürzester Zeit (...) und meine erste Tochter geboren wurde“, sagte Glasner bei der Berlinale im Februar. Manche Szenen habe er eins zu eins so erlebt. Über einen Filmausschnitt in einem Pflegeheim sagte er: „Das war das letzte Mal, dass ich meinen Vater gesehen habe.“ Dennoch habe er auf keinen Fall einen Betroffenheitsfilm machen wollen. „Ich wollte diese ganzen Seiten des Lebens, die so dazugehören, alle mit erzählen.“
So bewegt sich „Sterben“ neben dem Verhältnis zu den (sterbenden) Eltern auch zwischen grundsätzlichen Themen wie der Geburt und dem Leben an sich, zwischen Rausch, Schuld, Lust und Depressionen. Glasner schafft es, Szenen immer wieder mit Humor und absurden Momenten aufzulockern. Am Ende steht ein komplexes und sehenswertes, wenn auch stellenweise etwas zu lang geratenes Drama.
Sterben, Deutschland 2024, 180 Min., von Matthias Glasner, mit Corinna Harfouch und Lars Eidinger