Berlin. „Hypnotic“ ist fast so was wie ein Comeback für Regisseur Robert Rodriguez. Darin setzt er seinen Star einem irren Verwirrspiel aus.
Glauben Sie nichts. Glauben Sie gar nichts, was Sie hier sehen. Denn Sie werden an der Nase herumgeführt. Wie auch die Hauptfigur im Film „Hypnotic“, der am 10. August ins Kino kommt. Gleich anfangs wird Danny Rourke (Ben Affleck) aus seinen Gedanken gerissen, entschuldigt sich, dass er gerade nicht ganz da gewesen sei.
Ein Hinweis, den man aufmerksam verfolgen sollte. Denn der Polizist sitzt gerade bei einer Psychiaterin, die beurteilen soll, ob er wieder dienstfähig ist, nachdem die Entführung seiner kleinen Tochter ihn komplett aus der Bahn geworfen hat. Er aber will wieder arbeiten, um nicht komplett verrückt zu werden. Und wird es dann doch.
„Hypnotic“: Ganz normale Menschen agieren plötzlich wie ferngesteuerte Marionetten
Gleich an seinem ersten Tag zurück erhält er einen anonymen Hinweis, dass eine Bank überfallen werden soll. Ganz normale Menschen agieren dabei urplötzlich wie ferngesteuerte, skrupellose Marionetten, die die Bank überfallen und ein Schließfach aufbrechen. Aber darin befinden sich nicht etwa Wertgegenstände. Sondern ein Foto von Rourkes verschwundener Tochter. Das ist der erste Hä?-Moment des Films. Und dem folgen noch viele weitere.
Denn eine Wahrsagerin, Diana Cruz (Alice Braga), offenbart dem Polizisten, dass die Regierung einst eine Geheimorganisation ins Leben gerufen hat, eine Gruppe von Hypnotiseuren, sogenannten Hypnotics, die alles und jeden manipulieren und eine komplette Scheinwelt vorgaukeln können.
Lesen Sie auch: Sebastian Bezzel und Lisa Maria Potthoff über zehn Jahre Eberhofer-Krimis im Kino
Diese Truppe aber ist außer Kontrolle geraten, und einer von ihnen (William Fichtner) verfolgt nun ganz eigene, finstere Pläne. Aber ausgerechnet bei dem traumatisierten Cop beißt er auf Granit. Der lässt sich nicht hypnotisieren. Und jagt den Fremden. Gemeinsam mit der Wahrsagerin, die selbst ein Hypnotic war, dann aber ausgestiegen ist und nun die Rache des Fremden fürchten muss.
Irgendwann gerät die Welt dabei ganz aus den Fugen. Wie in Christopher Nolans Blockbuster-Hit „Inception“ machen da brave Bahngleise die Biege und steigen in die Höh’. Spätestens dann ist auch dem letzten Zuschauer klar, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Alles nur Illusion. Und an dieser Schnittstelle von Sein und Schein treffen sich Übersinnliches und Traumfabrik. Denn es geht um die Macht des Illusionstheaters, um Tricks, Effekte, Budenzauber und falsche Kulissen. Um Menschen etwas vorzugaukeln, was es gar nicht gibt.
Zu viele Überraschungen laufen sich irgendwann tot
Robert Rodriguez stand mal als Regisseur kurz davor, Kult zu werden. Als er sich in den 90-ern mit trashigen Lowbudgetfilmen einen Namen machte und dann mit „From Dusk Till Dawn“ (1996) einen großen Schockererfolg erzielte. Rodriguez ist außerdem ein Kumpel von Quentin Tarantino, gemeinsam haben sie mehrere Filme ausgeheckt.
Doch während Tarantino in die Blockbuster-A-Liga aufstieg, blieb Rodrigues in der B-Movie-Trash-Ecke stecken. Und enttäuschte in den letzten Jahren selbst eingefleischte Fans mit zahnlosen Werken wie „Alita: Battle Angel“ oder wärmte seinen alten „From Dusk Till Dawn“-Hit als Serie auf.
Lesen Sie auch: Gesine Cukrowski erhält Preis für ihre Kampagne zur Sichtbarkeit von Frauen über 47
„Hypnotic“ könnte nun fast als sowas wie ein Comeback bezeichnet werden. Der Anfang, dass da ein leicht abwesender Mann in die Realität zurückgerufen wird, wäre da durchaus doppeldeutig zu verstehen. Und dann liefert Rodriguez in der Tat einen dieser Hybridfilme, für die er so bekannt ist. Also Filme, die erst mal eine konventionell anmutende Thrillergeschichte erzählen, aber dann eine absurde Wendung nehmen und etwas ganz Anderes, ganz Eigenes werden.
Vertane Chance: Der Film könnte ein Kommentar auf Verschwörungstheoretiker sein
So ganz eigen ist das diesmal allerdings nicht. Das Drehbuch, das Rodriguez gemeinsam mit dem „Godzilla“-Autor Max Borenstein entwickelte, zitiert nicht nur Nolans „Inception“, sondern lässt auch an Klassiker wie „The Truman Show“, „Und täglich grüßt das Murmeltier“ oder das Tom-Cruise-Spektakel „The Edge of Tomorrow“ denken, lauter Filme, in denen die Figuren in einer Realitäts- und Wahrnehmungsschleife festsitzen.
In heutigen Tagen könnten solche doppelten Ebenen mit vorgegaukelten Welten und falschen Wahrheiten allerdings mehr als nur Science-Fiction-Spielereien sein, könnten auch ein bissiger Kommentar sein auf Verschwörungstheoretiker, Aluhutträger, Querdenker und alle möglichen Menschen, die alles glauben, was man ihnen vorgaukelt.
Lesen Sie auch: Verband der deutschen Filmkritik fordert grundlegende Neuaufstellung der Berlinale
Doch auf diese nun wirklich doppelte Ebene lässt Rodriguez sich leier nicht ein. Das Drehbuch häuft dafür lieber einen Überraschungsmoment nach dem anderen an. Damit aber läuft sich der erst mal durchaus interessante Film irgendwann tot, wenn plötzlich alle über solche hypnotischen Kräfte zu verfügen scheinen und jeder jeden hinters Licht führen kann. Rodriguez gefällt sich in seinem Verwirrspiel und führt es noch bis nach dem Abspann fort. Wie als Cliffhanger, der auf eine Fortsetzung schielt, die es aber wohl eher nicht geben wird.
Ben Affleck spielt mal wieder einen ganzen Film mit nur einem Gesichtsausdruck
Das liegt zum Teil auch – am Hauptdarsteller. Ben Affleck wurde erst vor kurzem hochgelobt für die Business-Satire „Air - Der große Wurf“, die er produzierte, realisierte und bei der er auch mitspielte. In „Hypnotic“ dagegen spielt er einmal mehr mit dem immergleichen gequälten Gesichtsausdruck, als warte er nur darauf, wann endlich die letzte Klappe vor Feierabend fällt.
Damit scheint der Star das Ben-Affleck-Meme zu bestätigen, das sich über sein ewiges, ausdrucksloses Gesicht lustig macht. Eben noch Lob, dann schon wieder Häme: Das ist eine Realität, der man auch mit noch so viel Illusionsmaschinerie nicht beikommen kann. Eine Erfahrung, die Rodriguez und Affleck beide schon zur Genüge machen mussten.
Thriller, USA 2023, 93 min., von Robert Rodriguez, mit Ben Affleck, Alice Braga, William Fichtner, Dayo Okeniyi