Hamburg. In seinem neuen Buch „Filmstadt Hamburg“ erzählt Autor Michael Töteberg unterhaltsam von Drehorten, Stars und Sternchen in der Stadt.
In Hamburg beruft man sich gern auf kaufmännische Traditionen, und jeder gute Kaufmann macht irgendwann mal Inventur. Michael Töteberg liegt zwar eher die Kunst am Herzen, aber trotzdem hat er in seinem gerade in neuer Auflage erschienenen Buch die Hansestadt durchmessen, gewogen und einsortiert. „Filmstadt Hamburg“ sagt im Untertitel, worum es ihm geht. „Kino-Geschichten einer Großstadt: Stars, Studios, Schauplätze“.
Fast 20 Jahre ist es her, dass die zweite Auflage dieses Buches erschienen ist, die Erstausgabe stammt aus dem Jahr 1990. Die erneute Inventur war also dringend nötig. Damals war einer der besten Hamburg-Filme noch gar nicht gedreht: Sebastian Schippers Buddy-Movie „Absolute Giganten“ (1999). Ein gewisser Fatih Akin hatte gerade erst damit angefangen, Kurzfilme zu drehen. Es hat sich also einiges getan.
Dass Filme Geschichten erzählen, ist eine Binsenweisheit. Dass die Geschichten über die Filme manchmal interessanter sein können als die in den Filmen, beweist dieses Buch. Im Geburtsjahr des Films 1895 baute der amerikanischen Filmpionier Birt Acres eine Kamera im Dammtor-Bahnhof auf und filmte die Ankunft des Kaisers. Die ersten Kinos der Hansestadt standen am Spielbudenplatz.
In den 50er-Jahren geriet das Kino in eine Kitsch-Krise
Die Geschichte der Filmstadt ist seitdem eine wechselhafte gewesen. Kinoboom und Kinosterben lagen in der Nachkriegszeit nicht so weit auseinander. Auf die Schachtelkinos folgten die Multiplexe. In den 50er-Jahren geriet das deutsche Kino mit seinen Heimatfilmen in eine schwere Kitsch-Krise. Filme sind so ganz nebenbei auch Denkmäler der Stadtentwicklung und des herrschenden Zeitgeistes.
Einer der größten Kinoerfolge der Produzenten Gyula Trebitsch und seines Partners Walter Koppel war 1956 „Der Hauptmann von Köpenick“ nach dem gleichnamigen Drama von Carl Zuckmayer. Heinz Rühmann spielte die Hauptrolle in dem von Helmut Käutner inszenierten Film und lieferte mit seinem tragikomischen Balanceakt eine der besten Leistungen seiner langen Karriere ab. Gedreht wurde der Film unter anderem im Finanzamt am Schlump, das im Film zum Köpenicker Rathaus wurde, und am Altonaer Rathaus. Zehn Millionen Zuschauer sahen den Film in den ersten fünf Monaten, der „Captain from Koepenick“ lief auch in den USA und bekam sehr gute Kritiken in der „New York Times“.
Traumfabrik Studio Hamburg
Trebitsch war es auch zu verdanken, dass mit Studio Hamburg in Tonndorf eine eigene Traumfabrik entstehen konnte. 1961 drehte der Theaterregisseur Fritz Kortner sein erstes Fernsehspiel, „Die Sendung der Lysistrata“. Die Hauptrolle spielte Romy Schneider. Ihr halb entblößter Busen ließ den Intendanten des Süddeutschen Rundfunks, Hans Bausch, zur Ansicht kommen, das Stück sei „sittlich anstößig“.
Hamburg ist nicht nur eine Kino-, sondern auch und vielleicht auch vor allem eine Fernsehstadt. Der NDR produzierte Programme für die nach Informationen und Unterhaltung dürstende Bevölkerung. Jürgen Roland war einer der kreativen Köpfe aus den Nachkriegsjahren, der sich durch seine guten Kontakte zur Polizei zu immer neuen Krimis inspirieren ließ, vom „Stahlnetz“ (1958-1968) bis hin zum TV-Dauerbrenner „Großstadtrevier“ (seit 1984).
Viele bekannte Schauspieler gaben im Laufe der Jahrzehnte in Hamburg ihre Visitenkarte ab. Wim Wenders drehte mit Dennis Hopper und Bruno Ganz „Der amerikanische Freund“ (1977). Sophia Loren, Kirk Douglas, Goldie Hawn, Kim Basinger und Warren Beatty standen hier vor der Kamera.
Hamburg ist Heimat des Independent-Films
Aber auch der deutsche Film kam wieder auf die Beine. Hark Bohm drehte den Jugendfilmklassiker „Nordsee ist Mordsee“ (1976). Altona und Ottensen entwickelten sich in Hamburg zu Zentren der Hamburger Autorenfilmerszene.
Fatih Akin gewann mit „Gegen die Wand“ (2004) den Goldenen Bären. Sein engagiertes und leidenschaftliches Kino machte ihn und seine Filme auch international bekannt. Ihm ist im Buch ein eigenes Kapitel gewidmet. „Die Filmstadt Hamburg ist keine Blockbuster-Factory, sondern die Heimat des Independent-Films“, schreibt Töteberg. Ein schönes Fazit.
Vervollständigt wird das Buch durch einen Überblick über die Festivals der Stadt: Filmfest Hamburg, KurzFilmFestival, Lesbisch Schwule Filmtage, Cinefest und andere. Und was wäre eine Filmstadt ohne ihre Kinos? Auch mit den florierenden, geschlossenen oder kämpfenden Lichtspieltheatern wie Abaton, Zeise, Metropolis, 3001, Streit’s und Savoy wird man hier bekannt gemacht.