Hamburg. Christoph Waltz über seine Rolle im neuen James-Bond-Film „Spectre“ und die Frage, wie viel Glück es braucht, um Karriere zu machen.

Heute kommt „Spectre“, der neue James-Bond-Film in die Kinos. Auch in Hamburg ist die Kartennachfrage riesengroß. Ein Gespräch mit Christoph Waltz, der im mittlerweile 24. Teil der 007-Reihe den Bösewicht spielt.

Hamburger Abendblatt: In einer Umfrage wurden mehrere Prominente gefragt, wer der beste Bond-Schurke ist. Sie wurden auch gefragt und haben geantwortet: „Ich, wer sonst?“

Christoph Waltz: „Wer sonst“ würde ich nie sagen. Ich habe gesagt: „Ich.“

Wie sind Sie zu der Rolle gekommen?

Waltz: Durch Barbara.

Produzentin Barbara Broccoli sagt, sie habe Ihnen die Rolle nicht nur angeboten, sondern sie regelrecht verführt.

Waltz: Ganz genau. Wir kennen einander seit fünf, sechs Jahren und treffen uns in unregelmäßigen Abständen. Wie das so ist: Man ahnt ein Interesse, gegenseitig, bringt das irgendwann mal zur Sprache. Und das geht so weiter – wie Verführung eben funktioniert. Keine Ahnung, vielleicht habe ja auch ich sie verführt.

Gibt es irgendetwas, das Sie bei den Dreharbeiten überrascht hat?

Waltz: Ich will jetzt nicht abgebrüht klingen und sagen, dass mich nur weniges überrascht. Ich rechne immer mit allem. Insofern sind Überraschungen bei mir eher spärlich gesät. Mich hat ein bisschen verwundert, mit welcher Ruhe und Herzlichkeit so ein Riesen-Ding gedreht werden kann. Ich finde, das sieht man auch. Ob die Filme jetzt besser oder schlechter sind als andere, das ist jetzt nicht das Thema. Aber man sieht, mit welcher Hingabe – das ist wirklich das richtige Wort – die James-Bond-Filme gemacht sind. Und das liegt an Barbara. Michael Wilson, ihr Bruder, der mitproduziert, ist ein bisschen zurückhaltender. Und analytischer. Aber Barbara ist das Herz und die Seele dieses Unternehmens.

Können Sie sich noch an den ersten Bond-Film erinnern, den Sie gesehen haben?

Waltz: Nein, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern.

Wenn Sie sich nicht daran erinnern können, sind Sie denn überhaupt ein Bond-Fan? Haben Sie die Filme früher gern geguckt?

Waltz: Ja. Aber nicht alles, was man gerne sieht, muss man gleich als Fan bejubeln. Mir haben einige sehr gut gefallen, einige nicht so sehr. Ich habe James Bond aber auch immer eher als Phänomen betrachtet.

Und hätten Sie sich je vorstellen können, einmal selber als zentraler Bösewicht mit von der Partie zu sein?

Waltz: Komischerweise nein. Das klingt vielleicht ein bisschen blöd, aber ich bin zu lange im Filmgeschäft, um nicht zu wissen, dass einem solche Hoffnungen und Wünsche überhaupt nichts bringen.

Was ist denn das Phänomen James Bond für Sie?

Waltz: So genau kann ich das auch nicht umreißen. Aber ein paar Dinge stellen sich ja schon allein durch den Unterschied zu anderen Filmen sehr deutlich dar. Erstens dass es 24 Filme in 52 Jahren mit fünf verschiedenen Darstellern und trotzdem derselben Identifikation gab. Das ist phänomenal, das gibt es kein zweites Mal. Im Übrigen ist mir erst heute aufgefallen: 52 Jahre – das ist ziemlich genau die halbe Filmgeschichte. Phänomenal ist auch, wie die Figur James Bond in die jeweilige Zeit eingegliedert wird – was ihm ja zu überleben hilft. Das ist, wie ich mir sagen lasse, in der Wirtschaft auch so. Große Firmen, die versäumen, sich nach den Bedürfnissen der Zeit zu richten, gehen unter. Es gibt eben kein wirkliches Bedürfnis nach einem Dieselmotor. (lacht)

Sie haben James-Bond-Filme einmal mit Kaschperltheater verglichen. Sie sprechen das österreichisch aus, mit „sch“. Haben Sie das so auch Frau Broccoli gesagt?

Waltz: Das weiß sie, ja. Man könnte das natürlich auch gescheiter formulieren und sagen, das ist moderne Mythologie. Aber Kaschperltheater ist auch Mythologie. Kaschperltheater hat auch Archetypen, die in einem bestimmen Verhältnis und Konflikt zueinander stehen. Ich kann mich wirklich genau erinnern, als Kind einmal ein politisch korrektes Kaschperltheater gesehen zu haben, in dem kein Krokodil vorkam. Ich war empört! Da war ein bisschen Handlung mit der Großmutter und der Gretel, aber wo war das Krokodil? Das war doch kein Kaschperltheater!

Wenn James Bond also Kaschperltheater ist, dann sind Sie folgerichtig das Krokodil?

Waltz: Das wäre meine Funktion, absolut.

Die Bond-Bösewichte erleiden am Ende immer einen schlimmen Tod. Sie jedoch nicht. Könnte das ein Hinweis darauf sein, dass Sie im nächsten Teil wiederkehren?

Waltz: Keine Ahnung. Das ist tatsächlich, und das ist ganz ehrlich gemeint, bisher überhaupt kein Thema. Es gibt noch so viel mit diesem Film zu machen. Er ist noch lange nicht fertig. Beendet ist die Arbeit an einem Film erst, wenn er im Bewusstsein des Zuschauers angekommen ist. Das findet in den nächsten zwei Monaten statt. Und dann, glaube ich, werden erst mal alle verschnaufen. Denn das waren zwei Jahre Arbeit. Und zwar intensive Arbeit. Wobei: Mein Arbeitsaufwand war im Vergleich zu den anderen ja minimal.

Jahrelang sind Sie im deutschen Film übersehen worden. Jetzt sind Sie ganz oben in Hollywood. Wenn Sie zurückblicken, war das Vorsehung? Oder war es Glück?

Waltz: Ich kann Ihnen einen ziemlich genauen Prozentsatz sagen, zu dem Glück an der Sache beteiligt ist: 100 Prozent. Das meine ich im Übrigen ganz ehrlich.

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