Auch nach 40 Jahren noch erstaunlich modern: Emma Peel und John Steed auf Ganovenjagd - sie im Catsuit, er im Maßanzug.

Das Warten hat ein Ende: Endlich ist „Mit Schirm, Charme und Melone“, eine der besten und erfolgreichsten Kultserien der Fernseh-Geschichte, auch in Deutschland auf DVD erschienen. Vorbei die Zeiten, als man die Boxen in England (längst vergriffen) oder Amerika (unbezahlbar) bestellen musste. Zunächst kommen die 26 Schwarzweiß-Folgen der ersten Staffel mit Emma Peel alias Diana Rigg in den Handel. Sie waren ab Oktober 1966 im deutschen Fernsehen zu sehen (und wurden erst kürzlich auf ARTE im Vorabendprogramm wiederholt). Auch jene neun Folgen, die dem ZDF damals zu „heiß“ waren und erst 1998 von SAT.1 ausgestrahlt wurden, sind selbstverständlich enthalten.

Mehr als 40 Jahre ist die Serie jetzt alt, und trotzdem erscheint sie beim Wiedersehen auch im Jahr 2009 erstaunlich modern. Das hat – neben dem gezielten Bruch mit Sehgewohnheiten, den liebevoll versponnenen Details, den skurril-verrückten Kriminal- und Spionagefällen, den exzentrischen Figuren, den Super-Bösewichtern mit Allmachtsfantasien sowie der Verortung im England der „Swinging Sixties“ – vor allem mit Diana Rigg als Emma Peel zu tun. Sie war die starke, makellose und überlegene Frau, modisch ihrer Zeit voraus, ungemein begehrenswert, höchst intelligent und voll ironischer Gelassenheit. Ihr lederner Catsuit, dessen wohlgesetzte Reißverschlüsse wie ein Versprechen ins Auge stachen und Emmas unverklemmte Sexualität symbolisierten, ließ so manchen männlichen Fernsehzuschauer durcheinander geraten. So wurde Emma Peel zur Ikone, zur Augenweide aller Lederfetischisten. Mehr noch: „Emma Peel in Leder, während sie reihenweise männliche Kontrahenten kampfunfähig setzt oder aber in irgendeiner Form gefesselt der Gewalt eben jener Männer ausgesetzt ist, lässt überdeutlich die Konnotation zu S/M-Praktiken oder Domina-Spielen erkennen.“ (Lars Baumgart) Das war in den 60iger Jahren sehr gewagt und fasziniert auch heute noch. „Das Konzept Emma Peel“, so der Buchtitel von Lars Baumgart, funktioniert vor allem, weil ihr mit John Steed alias Patrick Macnee ein Mann zur Seite steht, der diese Überlegenheit zum einen anerkennt, sich zum anderen mit List, Tücke, Charme und Schlagfertigkeit zu behaupten weiß. Er verkörpert all das, was gemeinhin als britischer Gentleman gilt: gebildet, kultiviert, traditionsbewusst, witzig, exzentrisch, mit Schirm, Stock, Melone, maßgeschneiderten Anzügen und teuren Oldtimern auch irgendwie ein wenig spießig. „Im Grunde genommen ist John Steed also ein ziemlicher Langweiler“ erkannte 1991 das „Neue Deutschland“. Lederfrau und Biedermann – ein wundervolles Spannungsfeld, in dem sich Emma Peel und John Steed köstliche, hochironische Wortgefechte lieferten, die die deutsche Synchronisation perfekt übertragen hat und bis heute nichts an Süffisanz verloren haben. Ob sie was miteinander hatten? Aber nein. Die knisternde Erotik beruht – auch das ist very british – auf einer höflichen Distanz, die erst am Schluss der zweiten Staffel, beim Abschied von Emma Peel, mit einem Kuss auf die Wange durchbrochen wird.

Kinowelt präsentiert nun die erste von zwei Emma-Peel-Staffel, also 26 Folgen, auf acht DVDs. Sprachversionen sind deutsch und englisch, aber ohne deutsche Untertitel. Das lässt sich verschmerzen, weil viele Liebhaber der Serie die deutsche Sprachfassung bevorzugen. Das Bonus-Material ist, besonders angesichts der liebevollen VHS-Editionen früherer Jahre, ein wenig spärlich ausgefallen. Das gibt es die aufregende, 30-sekündige „Chessboard Sequence“, die nur in Amerika den einzelnen Episoden vorangestellt war, den deutschen Vorspann, einige geschnittene Szenen, eine Fotogalerie, ein Booklet und mehrere Trailer. Insgesamt also eine runde Sache und für Fans der Serie unverzichtbar.

Mit Schirm, Charme und Melone - 1. Staffel 8-DVD-Box, 1284 Minuten, ab 12 Jahren; bereits erhältlich;

www.sk96.de/sk_av.htm ,

www.fernsehserien.de (mit zahlreichen weiterführenden Links) und http://theavengers.tv

Bewertung: überragend