Der Krieg im Irak aus Michael Moores Sicht: “Fahrenheit 9/11“ ist ein aktuelles Politikum

Der Präsident - ratlos. Die Kamera zeigt einen betretenen George Bush, der sich am 11. September 2001 handlungsunfähig an ein Kinderbuch klammert, nachdem er die Nachricht von der zweiten Flugzeugattacke auf das World Trade Center erhielt. Hier in Florida, wo er am 11. 9. einen Kindergarten besuchte, fand im Jahr 2000 auch das umstrittene Wahldebakel statt, mit dem Michael Moore seine Demontage des Präsidenten einleitet.

In "Fahrenheit 9/11" konfrontiert er seine eingebetteten Landsleute mit den schmutzigen Details des Bush-Krieges im Irak, mit den Verstrickungen des Machtapparates mit den Waffenkonzernen sowie den Beziehungen der Familien Bush und bin Laden.

Was für den weltläufig informierten Zuschauer keine Enthüllung darstellen mag, wird durch die Moore-typische Munition brisant. Er zeigt Bilder von aufgeputschten, kampfgeilen jungen US-Soldaten. Und er zeigt die Verzweiflung junger Rekruten angesichts der grausamen Realitäten von Krieg und Verstümmelung. Er enthüllt die Fahrlässigkeit eines Krieges, der sich sein Kanonenfutter unter den unterprivilegierten Jugendlichen sucht. Kongressmitglieder stammeln ins Mikrofon, wenn Moore sie mit der Gretchenfrage nach den eigenen Söhnen überrumpelt. Oder er greift zum Megafon, um jenen den weltweiten Kampfeinsatz rechtfertigenden "Patriot Act" vorzulesen, die ihn blind unterschrieben haben.

Moore geht wie schon in "Bowling For Columbine" dorthin, wo er seine Landsleute abholen kann. Auch diesmal ist seine Heimatstadt Flint, Michigan einer dieser Orte. Hier lebt Lila, eine überzeugte Patriotin. So stolz wie auf ihre Flagge im Garten war sie auf ihren Sohn, der für sein Land in den Krieg zog - und den Fronteinsatz nicht überlebte. Jetzt fordert sie den Rücktritt des Präsidenten.

Die wertkonservative Demokratin aus dem Arbeitermilieu ist nicht nur einer von Moores berüchtigten emotionalen Coups. Sie steht als Kronzeugin gegen die Anwürfe, dass es sich bei "Fahrenheit 9/11" um einen rein ideologischen Feldzug handelt, und für die Opfer der Informationspolitik der Bush-Administration.

Über die Methoden des Michael Moore lässt sich streiten, trotzdem hat er als Mann der Axt mit "Fahrenheit 9/11" ein brisantes Politikum aufgestellt.

Fahrenheit 9/11 USA 2004, 122 Minuten, ab 12 Jahren, R: Michael Moore, täglich im Abaton (OmU), Cinemaxx, Streit's, UCI Mundsburg (OmU), Zeise (OmU); Internet: www.fahrenheit911.com