Hamburg. In „Der Bürger als Edelmann“ bringt Dieter Hallervorden am Ernst-Deutsch-Theater das Publikum zum Lachen und zum Fremdschämen.

Es gibt unbedingt Gutes zu sagen über diesen „Bürger als Edelmann“ am Ernst Deutsch Theater. Die Schauspieler können alle schön artikuliert und flüssig sprechen, sie sind konzentriert bei der Arbeit und machen keine Fehler. Die Kostüme (Ausstattung: Stephan Dietrich) sind fantasievoll und ordentlich genäht, das Bühnenbild mit den Kronleuchtern, dem prächtigen roten Vorhang und der getäfelten braunen Rückwand funktioniert.

Nur der Star des Abends, Dieter Hallervorden, lispelt niedlich, aber das wusste man vorher, vor allem wegen ihm sind ja auch viele zur Premiere gekommen, obwohl draußen endlich mal ein sonniger Abend in Hamburg lockt. Dem Gelächter und dem Beifall nach zu urteilen, werden acht, vielleicht auch neun von zehn Premierengästen ihren Freunden und Bekannten erzählen, dass sie sich königlich amüsiert haben im Theater, dazu sind Komödien ja schließlich da. Der Frühsommerhit des EDT scheint also gesichert.

Zwei der zehn Premierenbesucher, vielleicht auch nur einer, werden eher betreten schweigen. Und zwar aus mehreren Gründen. Die Textfassung von Folke Braband, der auch Regie führte, unternimmt im Verlauf der Aufführung einen kontinuierlichen Sinkflug. Von den Höhenlagen der Sottisen mit Esprit, die Molière dem Tänzer, dem Musiker, dem Philosophen und dem Fechtlehrer des strunzdummen Bürgers Jourdain in den Mund legt, geht es zügig in die bedrohlichen Niederungen gegenwärtiger Alltagssprache unter vollumfänglichem Einschluss der Kalauerei und des Zotenhaften. Es gibt Momente, in denen man nach Falten im Sitzpolster sucht, weil man vor Scham über die hemmungslose sprachliche RTL-isierung einer großen französischen Komödie ganz dringend aus diesem Raum verschwinden möchte.

Doch was sagt sie uns heute noch, diese große französische Komödie über einen Mann mit Geld und ohne Geschmack, der im Zeitalter des Ständestaats auf das Lächerlichste nach Höherem strebt? Über einen Adel, der gerade noch Manieren hat, aber moralisch verkommen ist? Folke Braband belässt Dekor und Kostüme in der Entstehungszeit (1670) und spekuliert auf Witzverdopplung durch vermeintlich moderne Sprache aus den Mündern alter Knallchargen. Doch die Inkommensurabilität (das Wort würde man gern Dieter Hallervorden aussprechen hören, der unentwegt die immense Tölpelhaftigkeit seiner Figur durch falsch verwendete oder verkehrt ausgesprochene Fremdwörter unter Beweis stellen muss) von Gesehenem und Gehörtem erhöht noch die Relevanzfrage dieser Inszenierung; sie ergibt so einfach gar keinen Sinn mehr.

Was soll man mit einer neuzeitlichen Parodie auf Figuren anfangen, deren Schwächen und Schlichen in den Kontext einer Zeit gehören, die bald 350 Jahre zurückliegt? Anders gefragt: Wie wäre heute die Geschichte eines tumben, bildungsbeflissenen Parvenüs auf die Bühne zu bringen? Und was bliebe dann noch von Molières Komik?

Hallervorden macht seine doofe Sache ganz gut. Mit seinen übergroßen, wässrig schwimmenden Augen gibt er das Bild vom traurigen Clown. Sein gelegentliches Berlinern rückt die Figur nah an ihn als Person heran. Doch die fortwährende Überdosierung des Nonsense, den er plappert, macht müde vor der Zeit. Die Rudimente an Tänzerischem, die Braband der einstigen Ballettoper lässt – immerhin stammt die Musik von Jean-Baptiste Lully, kommt aber hier vom Band –, übersetzt Hallervorden mit rosa bestrumpften Spillerbeinen in ganz ulkige Bewegungen (Choreografie: Klaus Abromeit).

Madame Jourdain (Dagmar Biener) trägt das Haar hübsch verquirlt, aber ihre Figur ist in dieser Inszenierung so eindimensional angelegt wie alle anderen. Sie ist zu sehr Besen und zu wenig klug. Tochter Lucille (Anja Boche) und das Hausmädchen Nicole (Anne Rathsfeld spielt auch die Marquise) tun, was ihnen gefällt. Was dem Hanswurst von Papa im Haus da noch Macht gibt, versteht keiner.

Im osmanischen Finale treibt ein brüllkomisch sein wollendes neuzeitliches Türken-Kauderwelsch sein Unwesen. Eingeschwenkt auf den Highway zur Totalklamotte, treten nun auch Oliver Dupont (Cléonte und weitere Rollen), Philipp Sonntag (Musiklehrer, Corvielle) und Oliver Nitsche (Philosoph, Dorant) das Gaspedal voll durch.

Der Bürger als Edelmann bis 12.7., EDT