Die Video-Text-Performance von Angela Richter über WikiLeaks-Gründer Julian Assange erfüllt die Erwartungen nur teilweise.

Hamburg. „Willkommen in meinem Leben“, sagt Julian Assange in Angela Richters Video-Text-Performance „Assassinate Assange“. Der Satz weckt wie andere auch („Die Zukunft gehört den Nerds“) Erwartungen. Doch die Autorin und Regisseurin, verheiratet mit dem Maler Daniel Richter, erfüllt sie dann nur teilweise.

Der renommierte Künstlergatte hatte zur Uraufführung auf Kampnagel in Hamburg am Donnerstagabend T-Shirts mit dem Assange-Porträt bemalt, die zu 200 Euro für einen guten Zweck erhältlich sind. Doch die eineinhalbstündige biografisch-dokumentarische Collage bleibt bruchstück- und skizzenhaft wie die Gesichter auf den Unterhemden: Angela Richter umkreist ihr Thema mehr als dem angesammelten Recherchematerial einen Fokus, eine Richtung oder dramaturgische Struktur zu geben. So bleibt die Chance ungenützt, der brisanten und aktuellen Geschichte eines verfolgten Rebellen schlüssige und spannende szenische Form zu geben.

Richters Idee zum Projekt ist brillant, aber die Vorgeschichte wirkt interessanter als das Ergebnis. Sie hatte den achten und letzten Platz bei einem konspirativen Benefizessen mit und für Julian Assange und dem slowenischen Philosophen Slavoy Zizek für 1600 Euro im Internet ersteigert, konnte es filmen und bekam Kontakt zum verfolgten „Staatsfeind“. Mehrmals telefonierte die Regisseurin mit Assange, stellte ihm 300 Fragen und besuchte ihn schließlich in seinem „Exil-Gefängnis“ in der Londoner Botschaft von Ecuador. Davon berichtete sie auch live auf der Bühne, während Assange in Affengestalt spricht oder im Video zu sehen ist. Im Wortlaut benutzt Richter dann auch Aussagen und Verhörprotokolle im Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs, um Wahrheit zu vermitteln, spielt aber zugleich mit Verfremdung. Man hört, dass Assange offenbar ein Frauenheld ist, aber man hätte lieber mehr von seinem Denken und Weltbild erfahren.

Im Dialog auf die Frage Nummer 162 spricht der WikiLeaks-Gründer über die Vereinheitlichung von Information durch das Internet und die Medien und kritisiert deren „massenhafte Standardisierung des Menschen“, was die Enthüllungsstrategien von WikiLeaks zu verhindern versuchen. Doch dann springt Richter zum Brief einer Männerfeindin an Interpol, lässt von Greueltaten im Irak-Krieg und einer abstrusen Verpflanzung von Saddam Husseins Gehirn erzählen, Lieder singen oder die Affenhorde herumtänzeln. So zerfällt das Stück zusehends in Einzelteile, die sich jedoch nicht zu einem Ganzen fügen.

„Assassinate Assange“ wird letztlich dem umstrittenen Kämpfer für Transparenz und Wahrheit in der Politik und Gesellschaft, der schillernden Figur und dem „Supernerd“ nicht gerecht. Warum den Nerds die Zukunft gehören soll, bleibt weiterhin offen.