Wandlungsfähig wie keine Zweite - Jana Schulz spielt ab 28. Mai das “Käthchen von Heilbronn“ in Roger Vontobels Inszenierung des Kleist-Klassikers im Deutschen Schauspielhaus.

Wer auch immer ein Gretchen, eine Julia oder ein Käthchen zu besetzen hat, denkt nicht sofort an Jana Schulz. Zum Interview erscheint die Mimin mit dem blonden strubbeligen Kurzhaar in funktionalen Radlerklamotten. Geht von Weitem problemlos als Junge durch. Ja, sie sei anfangs wenig begeistert gewesen, als Regisseur Roger Vontobel ihr die Hauptrolle in Kleists märchenhaftem Ritterspiel "Käthchen von Heilbronn" antrug, gibt sie zu. "Als dieses reine Mädchen habe ich mich so gar nicht gesehen."

Kurz vor der Premiere am 28. Mai im Schauspielhaus hat Schulz in dem Käthchen, das dem Grafen von Strahl in einer Vision versprochen ist, aber von diesem aufgrund ihrer vermeintlich bürgerlichen Herkunft nicht erkannt wird, eine starke Kraft entdeckt. "Sie schöpft aus diesem Traum, opfert sich fast märtyrerhaft auf", erzählt Schulz. "Sie ist ihm hörig, aber das heißt nicht, dass sie naiv ist. Sie ist pur." Dieses Pure passt wiederum zu der "Anti-Frau" Jana Schulz, in deren Person sich zu dem Kraftvollen eine fragile Scheu gesellt. "Wir versuchen heute ständig, etwas nach außen zu repräsentieren und entfernen uns von dem Wahren."

Das Wahre fand die Schauspielerin, Jahrgang 1977, häufig in Männerrollen. Sie hat sie nie gesucht. Sie kamen auf sie zu. Als Parzifal schwang sie in Andreas Bodes Inszenierung auf Kampnagel das Schwert, da lernte sie noch auf der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Später folgte der Christian im "Woyzeck" von Laurent Chétouane. Und zuletzt Major Tellheim, den sie 2007 lustvoll viril im verschwitzten Muskelshirt in Karin Henkels "Minna-von-Barnhelm"-Inszenierung gab. Dazwischen lag auch mal eine Lkw-Fahrerin in einem TV-Film. Natürlich spielte Schulz, seit 2003 im Ensemble des Schauspielhauses und heute sein weiblicher Star, auch unzählige Frauenrollen, darunter eine Julia - neben dem androgynen Robert Stadlober als Romeo.

Findige Regisseure nutzen die Tatsache, dass sich die Mimin schon immer ein wenig "dazwischen" fühlte. Zwischen den Geschlechtern nämlich. Früher, als sie intensiv mehrere Kampfsportarten trainierte, schienen ihr ihre Brüste immer im Weg. Heute hat sie sich mit ihrem Körper angefreundet. "Ich finde Männerfiguren spannender", sagt Schulz. "Mit Frauenrollen tue ich mich oft schwer, weil die meist sehr schwach sind." Sie imitiere die Männer nicht. "Ich nehme da total viel von mir. So wie ich fühle für die Figur."

Damit eine wie Schulz ihre Stärken ausspielen kann, braucht es eine Regie, die mehr über Frauenfiguren erzählen will, so wie Vontobel oder Henkel, in deren Umfeld sie auch zwei private "Familien" gefunden hat. Als Kind, verbrachte Schulz, Tochter einer Ärztin und eines Tischlers, viel Zeit allein. "Der geschützte Rahmen des Theaters ist für mich ein Fluchtweg, meine eingeschlossenen Gefühle loszuwerden." Schwer zu glauben, wenn man erlebt hat, wie sie mit jeder Faser ihres Körpers und ihrer Seele agiert - eine Terroristin des wahren Gefühls. In den anstrengenden Endproben verkriecht sie sich, die Stille und das Alleinsein werden lebensnotwendig. Und nach der Premiere wird sie sofort verschwinden. "Ich möchte da bleiben, wo ich bin und nicht eitel werden."

Das Käthchen von Heilbronn Premiere Do 28.5., 20.00, Schauspielhaus (U/S Hbf), Kirchenallee 39, Karten zu 11,- bis 55,- unter T. 24 87 13 oder unter www.schauspielhaus.de