München. T.C. Boyle hat den Roman zum Klimawandel geschrieben. Er ist spannend von der ersten bis zur letzten Zeile, aber nicht sehr aufmunternd. In „Blue Skies“ droht die Apokalypse durch Feuer, Schlangen oder Zecken.
T.C. Boyle erzählt selten Geschichten mit hohem Wohlfühlfaktor. Das gilt für seinen neuen Roman „Blue Skies“ erst recht. Der 74-jährige US-amerikanische Autor beschreibt darin eine Welt am Abgrund der Klimakatastrophe. Der Mensch ist nicht mehr die Krone der Schöpfung, sondern Opfer einer kaum kontrollierbaren Entwicklung, die er selbst verursacht hat. Und die USA sind nicht länger das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern drohen buchstäblich unbewohnbar zu werden. Boyle hat den Roman zum Klimawandel geschrieben - und zum Artensterben, das davon nicht zu trennen ist.
„Blue Skies“ ist ein bewusst verniedlichender Titel - der Himmel ist bei Boyle nur blau, wenn die nächste Hitzewelle droht. Sein kluger Roman ist eine Dystopie mit vielen Schreckensmomenten und geradezu alptraumhaften Szenen, hochgradig spannend, aber noch düsterer als sonst bei ihm üblich. Die Handlung spielt vor allem in Florida und in Kalifornien - den beiden US-Staaten ganz im Südosten und ganz im Westen der USA.
Missernten und Überschwemmungen
In dem einen bedroht der steigende Meeresspiegel die Küste, so dass die Straßen regelmäßig überschwemmt sind, in dem anderen führen Trockenheit und Hitze immer wieder zu Bränden. Ein Haus ums andere wird dann Opfer der Flammen, Bäume lodern wie Fackeln, Benzintanks explodieren wie Bomben, Menschen verbrennen in ihren Autos, die sich in den Straßen stauen.
Es gibt eine Missernte nach der anderen, Lebensmittel werden knapp, selbst in Kalifornien. Der Wein schmeckt nach Asche, Wasser wird rationiert. Immer wieder fällt der Strom aus. Die Swimmingpools können nicht mehr benutzt werden, weil die Filteranlagen ohne Strom nicht funktionieren.
Das Verhältnis von Mensch und Natur ist aus dem Gleichgewicht geraten. Hunde überstehen die Hitze nicht. Bienen und Libellen sterben auf mysteröse Weise, Wissenschaftler sind ratlos. Asiatische Tigermoskitos, die das Zika-Virus übertragen, breiten sich aus, Zecken werden zur lebensbedrohlichen Gefahr.
Und eine amerikanische Vorzeige-Familie, die angesichts der Bedrohungen für Flora, Fauna und Menschheit eigentlich gerne alles richtig machen möchte, zerbricht an all dem. Es ist eine Tragödie auf vielen verschiedenen Ebenen.
Ein Insektenforscher verliert seinen Arm
„Die Natur schlägt zurück“, sagt der Insektenforscher Cooper. „Das ist es, was passiert. In meinem Fall wortwörtlich.“ Er entdeckt eines Tages einen dunklen Punkt an seinem Unterarm, die Folge eines Zeckenbisses. Erst scheint das harmlos zu sein. Kurz darauf wird er mit hohem Fieber ins Krankenhaus eingewiesen und droht zu sterben. Schließlich muss ihm der Arm bis zum Ellenbogen amputiert werden.
Coopers Schwester Catherine träumt von einer eigenen kleinen Familie an der Seite von Todd, dem Vater ihrer beiden Zwillinge Sierra und Tahoe. Ihr Leben nimmt an dem Tag eine entscheidende Wendung, als sie sich entschließt, eine Tigerpythonschlange zu kaufen. „Das sind tolle Haustiere, aber sie werden ganz schön groß“, sagt ihr der Verkäufer, als sie fasziniert vor den Terrarien steht.
Cat ist leider alles andere als die ideale Tierhalterin. Sie trinkt zu viel und sieht in Würgeschlangen hübsche Accessoires, die sie sich um die Schulter legen kann, um damit für Selfies zu posen. Und so kommt es, wie es kommen muss: Die Pyhtonschlange, die den harmlos klingenden Namen Willie trägt, tötet eins der beiden Zwillingsmädchen. Die Szene erinnert an einen Horrorfilm. Und danach wird es eher immer schlimmer.
Boyle: „Die Hoffnung wird sterben“
„Wir werden überleben, aber wir können bereits die Verwüstungen sehen, die der Klimawandel unseren Gesellschaften gebracht hat“, sagte Boyle der Deutschen Presse-Agentur. „Und wir können uns auf den Zusammenbruch unserer Gesellschaften freuen. Wir erleben einen Aufstieg des Faschismus in Amerika und Europa. Gangs werden herrschen. Die Hoffnung wird sterben.“
Eine Motivation, den Roman zu schreiben, seien die Informationen über den katastrophalen Rückgang der Populationen bei Fluginsekten gewesen, sagte der US-Autor. Das habe ihn nachdenken lassen über die Folgen für die Nahrungskette, die auch die höheren Arten inklusive der Menschen betreffe. Coopers und Cats Mutter versucht im Roman, Gerichte aus Insekten zuzubereiten. „Aber wenn sogar Insekten verschwinden, was dann?“
„Über diese Fragen schreibe ich seit Beginn meiner Karriere“, sagte Boyle. Schon in „Ein Freund der Erde“, das in den USA vor mehr als 20 Jahren erschienen ist, hat er sich mit der Klimakatastrophe und dem Aussterben vieler Arten beschäftigt. Seitdem ist sein Blick auf das Thema nicht gerade optimistischer geworden. Immerhin geht am Ende von „Blue Skies“ die Welt noch nicht unter.
- T.C. Boyle: Blue Skies, erscheint am 15. Mai im Hanser Verlag, München, 396 Seiten, 28 Euro, ISBN 978-3-446-27689-5.