Hamburg. Die Hamburger Autorin Nina George hat einen neuen Roman geschrieben: „Das Traumbuch“ erzählt eine Geschichte zwischen Leben und Tod.

Man darf den letzten Satz eines Romans verraten, selbst wenn er alles über diesen Roman verrät. Es muss gar nicht die Handlung sein, die preisgegeben wird; manchmal hilft der letzte Satz, hilft ein Satz, um die Temperatur eines Romans zu messen, seinen thematischen Raum zu durchschreiten und seinen Stoff zu befühlen.

Der letzte Satz in Nina Georges neuem Roman lautet: „Es gibt mehr zwischen Leben und Tod, als wir von hier aus sehen können.“

Und das Buch, in dem er steht, trägt den Titel „Das Traumbuch“. Ein Traum von einem Buch ist dieser Roman für all diejenigen, die eine gefühlssatte Handlung mögen und daran glauben, dass zwischen Menschen eine Verbindung besteht, die übersinnlich ist und über normale, fleischliche Begegnungen hinausreicht.

Verlust, Vergeblichkeit – und Trost

Im „Traumbuch“ fährt die Hamburger Bestsellerautorin George viel auf, um den zwischenmenschlichen Kontakt jenseits des konventionellen Erlebens und des Todes nicht abreißen zu lassen. Denn darum geht es in diesem keine Scheu vor großen Emotionen kennenden Roman: um Verlust, Vergeblichkeit, Nicht-loslassen-Können – und den Trost, den man im Glauben an die Kraft der Träume und die Liebe finden kann.

Georges Helden treffen in einem Krankenhauszimmer aufeinander: Der sämige Kitsch der Leidenschaften und Gefühle, die leicht dargebotene existenzielle Schwere wirkt wie einer (ordentlichen) Arztserie entsprungen.

Ausgerechnet auf dem Weg zu einem Treffen mit seinem verlorenen Sohn Sam fällt der Kriegsreporter Henri Malo Skinner aus dem Leben: Erst rettet er ein Mädchen aus der Themse, dann wird er, geschwächt vom heroischen Akt, auf der Hammersmith Bridge von einem Auto angefahren. Danach liegt Henri im Koma, erst im künstlichen, dann im richtigen. An seinem Bett hoffen und bangen Sam, sein zur Synästhesie begabter, hypersensibler Sohn, und die Verlegerin Eddie, die eine verkorkste Beziehung mit dem unsteten Henri hinter sich hat und ihn immer noch liebt.

Immer aus der Perspektive der Hauptfiguren

Nina George: „Das Traumbuch“
Nina George: „Das Traumbuch“ © Droemer Knaur | Droemer Knaur

Erzählt wird hier vor allem in Dialogen und jeweils aus der Perspektive einer der Hauptfiguren. Also auch aus derjenigen des halb tot darniederliegenden Henri. Beim misslungenen Wiederaufwecken ziehen an ihm Bilder vorbei: Er sieht den Tod seines Vaters, seinen Sohn, seine gescheiterte Liebe im Zwischenreich von Leben und Tod. In jenem Zwischenreich leben Komapatienten, es ist eine andere Welt als die der Lebenden. Das „Traumbuch“ erzählt vom Neben- und Ineinander der Bewusstseinssphären.

Weil George, Jahrgang 1973, weiß, wie nah der Esoterik-Verdacht liegt, baut sie in die Handlung den sehr rationalen Chefarzt ein, der mit Fachbegriffen erklärt, was wirklich passiert, wenn Menschen ein gleißendes Licht sehen oder auf dem Weg aus dem Leben Erinnerungsspuren folgen.

Ein Gaul namens „Dramatica“

Außerdem verfügt die Autorin über Selbstironie: Ein in einen vielfach töd­lichen Verkehrsunfall verwickelter Gaul trägt den Namen „Dramatica“. Den Unfall überlebte lediglich Maddie, ein schwer traumatisiertes Mädchen, zu dem Sam sich hingezogen fühlt.

Wer auf viele Geschichten in einer und den Kleister des allumfassenden Sentiments steht, für den ist „Das Traumbuch“ eine ganz wundervolle Lektüre. Wie Nina George, deren Roman „Das Lavendelzimmer“ sich auch international gut verkaufte, im Nachwort erklärt, verarbeitet sie mit dem „Traumbuch“ den Tod ihres Vaters, der 2011 starb. Mit dem neuen Buch wollte sie den „Themen-Zyklus der Endlichkeit“ abschließen, so George. Dass sie sich des schweren Themas mit viel schreiberischer Lust annimmt, ist ein Gewinn für die Leser.