Das Buch

Noch vor kurzem sonnte sich Vorzeigeprofessor Hanno Hackmann in akademischem Ruhm. Jetzt kocht der Campus, die Stadt ist entsetzt, und die Presse reißt sich um die Story: Der Starsoziologe soll eine Studentin vergewaltigt haben. Eigentlich ist es kaum verständlich, wie aus der harmlosen Affäre des akademischen Olympiers mit seiner leicht exaltierten Studentin Babsie ein »Fall« werden konnte. Doch im Kampf um Institutsbereiche kommt den eifernden Wächtern der Political Correctness der Skandal um die vorgeblich sexuelle Belästigung gerade recht. Die Hatz auf Hanno Hackmann beginnt. Zudem steht die Wahl des Universitätspräsidenten an. Eine unglückselige Mischung aus wahlstrategischen Notwendigkeiten, radikalfeministischen Intrigen, Gesinnungsterrorismus und der Sensationsgier der Presse bringt den Professor an den Rand des Abgrunds.

Der Autor

Dietrich Schwanitz, geboren 1940, stammt aus dem Ruhrgebiet und wuchs bei mennonitischen Bergbauern in der Schweiz auf. Er studierte Anglistik, Geschichte und Philosophie in Münster, London, Philadelphia und Freiburg. Von 1978 bis 1997 lehrte er als Professor für Englische Literatur an der Universität Hamburg. Mit seinen Romanen »Der

Campus« (1995) und »Der Zirkel« (1998) erreichte der Chefkritiker deutscher Hochschulpolitik ein Millionenpublikum. Sein Wissenshandbuch »Bildung« (1999) entwickelte sich zum Top- und Longseller. Dietrich Schwanitz verstarb im Dezember 2004.

Das sagt die Redaktion

Sex and Crime, Konkurrenz und Karrieren im akademischen Milieu - Armgard Seegers über einen detailgenauen, satirischen Roman, der zeigt, was passiert, wenn die Moral im Sumpf von Korruption versinkt.

Eigentlich ist der Campus-Roman ja ein Genre, das im englischen und amerikanischen Sprachraum entstand Er spielt hauptsächlich in der Universität und um sie herum. Dorothy Sayers, Mary McCarthy, Alison Lurie und Tom Wolfe haben Glanzstücke solcher Romane geschrieben. Die berühmteste Campus-Geschichte ist wohl das Theaterstück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" von Edward Albee - der Ehekrieg zwischen einem Geschichtsprofessor und seiner Frau.

Dietrich Schwanitz, der knapp 20 Jahre als Professor für Englische Literatur und Kultur an der Hamburger Universität arbeitete, hat seinen Roman Mitte der 90er-Jahre geschrieben und lässt ihn in genau dieser Zeit an der Hamburger Universität spielen. Und nennt ihn ganz direkt "Der Campus". Damit ist eigentlich schon gesagt, dass es um Konkurrenz und Karrieren, Affären und Intrigen geht und dass sich das alles im akademischen Milieu abspielt.

Schwanitz' Roman ist eine äußerst unterhaltsame, satirische, geradezu slapstickhafte Studie über Sex and Crime inmitten von Politikern, Professoren und Studenten. Der Soziologe Hanno Hackmann wird fälschlich der Vergewaltigung einer Studentin bezichtigt und gerät ins Mahlwerk der Bürokratie. Die Anschuldigung trifft ihn just in dem Moment, als ihm der nächste Karriereschritt zum Greifen nahe ist.

Das Soziotop Universität mit faulen Professoren und ungebildeten Studenten beschreibt Schwanitz so spitz und scharf, dass manch ein Kritiker meinte, dieses Buch, in dem alles grotesk überzeichnet und bis zum Wahnwitz getrieben wird und doch die Universitätsbürokratie im Kern genau trifft, sei ein Racheakt des Autors gewesen.

Es war viel mehr. "Es zeigt die Verlogenheit dieser Kreise", wie Marcel Reich-Ranicki damals im "Literarischen Quartett" sagte, "und zugleich die Verlogenheit der Bundesrepublik Deutschland überhaupt." Ja, der Roman liest sich hervorragend: Zu schön ist sie, die Geschichte über den Professor, der ein Verhältnis mit einer Studentin hat, das er beenden möchte, weil es seiner Ehe und Reputation zu schaden beginnt. "Die Affäre war eine Serie wiederholter Rückfälle" schreibt Schwanitz. "Man kann nicht bei seinem Geliebten Examen machen", nennt Hackmann der Studentin als Grund für die beabsichtigte Trennung. "Geliebter! Wie das klingt! Du bist mein Lover", antwortet Babsi und dreht ein wenig auf. Einmal, nur einmal noch, will sie Sex mit ihm. Dass der dann auf dem Schreibtisch der Uni passiert und zufällig von Fensterputzern und Bauarbeitern beobachtet wird, ist erst der Anfang, der zu einer Höllenfahrt durch Ausschüsse, Instanzen und Hierarchien führt. Als Leser bekommt man den Eindruck, die Universität sei ein Tollhaus. So wie die Stadt - in diesem Fall Hamburg - mit ihren Politikern, Kollegen von der Uni, mit Gleichstellungsbeauftragten und Karrieristen. Selbst wer die Hamburger Universität und das Univiertel zwischen Bornplatz und Hallerstraße nicht kennt, wird sich sofort zurecht finden in dieser Geschichte, die detailgenau und mit bösem Witz senile Frührentner (Studenten) und mafiotische Intriganten (Professoren) zeichnet. Die Uni-Landschaft ist da durch den Verfall der Moral längst im Sumpf von Korruption versunken.

500 000-mal hat sich "Der Campus" verkauft. Von Sönke Wortmann wurde er erfolgreich verfilmt. Keine Frage, der Roman hat's verdient und ist es wert. Auch wenn sich die Zeiten und das Klima seit den 90ern verändert haben. Als Schwanitz seinen Bestseller vorlegte, wurde an deutschen Universitäten politisch intrigiert, giftig gemobbt und geseilschaftet, was das Zeug hielt.

Schwanitz schildert beispielsweise einen Professor, der wissenschaftlich publiziert, dann unter einem Pseudonym seine eigenen Arbeiten kritisiert und schließlich unter richtigem Namen wieder den Rezensenten angreift.

Inzwischen, so hört man, haben die Verkettung von Exzellenzinitiativen und Existenzängsten das Hochschulklima derart abgekühlt, dass Lehrende und Studierende sich nur noch zielstrebig ihrem Fortkommen widmen und für Aus- und Abschweifungen, wie der widerborstige Anglist Schwanitz sie schilderte, weder Zeit noch Mumm übrig haben. Dafür ist die Political Correctness aus Politik und Universitäten längst in all unsere Lebensbereiche übergeschwappt.

Ist es heute wirklich besser an den Universitäten, an Hamburgs Uni? Man möchte es gerne glauben. So einen aberwitzigen Roman jedenfalls, direkt aus Hamburgs Mitte, könnte man derzeit wohl kaum noch schreiben. Obwohl es sicher genügend andere absurde Begebenheiten aus dem Intellektuellenmilieu zu erzählen gäbe. Ganz besonders auch in Hamburg.