Das Buch

»Nicht aus Freude am Abenteuerlichen, nicht als echte Milieuschilderung wirklicher Unterwelt wird der Roman geschrieben, sondern um zu zeigen, wie der heutige Strafvollzug und die heutige Gesellschaft den einmal Gestrauchelten zu immer neuen Verbrechen zwingt. Die Strafe macht ihn untüchtig zum tätigen Leben des Bürgers, die Gesellschaft will ihn nicht in diesem tätigen Leben. Der kleine Lump Kufalt strampelt sich ab, noch in seinen schlimmsten Viechereien schimmert eine Goldader Menschentum ..., aber doch, aber doch, unentrinnbar, gegen seinen Willen, ohne seinen Willen, wird er das, was die Umwelt will, dass er es wird: ein bisschen Kot, eine Mikrobe, bösartig, die man vernichten muss.«
(Hans Fallada im Exposé zum Roman, 1932)

Der Autor

Rudolf Ditzen alias »Hans Fallada« wurde 1893 in Greifswald als Sohn eines hohen Justizbeamten geboren. Er besuchte, ohne es abzuschließen, das humanistische Gymnasium und absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre. Zwischen 1915 und 1925 war er Rendant auf Rittergütern, Hotelinspektor, Buchhalter, zwischen 1928 und 1931 Adressenschreiber, Annoncensammler, Verlagsangestellter. 1920 Roman-Debüt »Der junge Goedeschal«, seit 1931 freiberuflicher Schriftsteller. Mit dem vielfach übersetzten Roman »Kleiner Mann - was nun?« (1932) wurde Fallada weltbekannt. In der Zeit des Faschismus lebte er, zeitweise vom Verdikt »unerwünschter Autor« bedroht, zurückgezogen auf seinem 6-Morgen-Anwesen in Mecklenburg. 1945 siedelte er nach Berlin über und starb dort 1947.

Das sagt die Redaktion

Hans Fallada schildert das Scheitern einer Resozialisierung in den 1920er-Jahren. Matthias Gretzschel über den Roman, der zwischen Jungfernstieg und Gängeviertel, Reeperbahn und Gefängnis spielt.

Die letzten Tage vor seiner Entlassung erlebt der Häftling Willi Kufalt in banger Erwartung. Was wird ihm das Leben in Freiheit bringen? Wird er Geld verdienen, auf eigenen Füßen stehen und sich eine neue Existenz aufbauen können oder doch wieder scheitern? Fünf Jahre lang hat er im Gefängnis einer norddeutschen Kleinstadt zugebracht, hat sich an die Regeln und Hierarchien angepasst, seinen Platz gefunden und dabei fast so etwas wie Zufriedenheit gespürt. Sein Mithäftling Batzke, ebenfalls kurz vor der Entlassung, schwärmt von seinen Hamburger Verbindungen, behauptet, eine Reederswitwe vom Harvestehuder Weg zu kennen, die ihm hörig sei und ihn aushalten würde. Auch Kufalt will nach Hamburg gehen, in der großen Hafenstadt ein neues Leben beginnen.

„Wir treffen uns um acht auf dem Rathausmarkt unterm Pferdeschwanz“, schlägt Batzke vor. Als Kufalt damit nichts anzufangen weiß, klärt Batzke ihn auf: „Da ist ein Denkmal von Kaiser Wilhelm auf dem Rathausmarkt, da reitet er. Unterm Pferdeschwanz weiß jeder in Hamburg.“ Hans Fallada, der das am Anfang seines Romans „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“ schildert, hat den Alltag eines Strafgefangenen in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts selbst erlebt.

Als Sohn eines Juristen, der es bis zum Richter am Reichsgericht in Leipzig schaffte, wird Fallada, der eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen heißt, 1893 in Greifswald geboren. Das familiäre Leben ist unglücklich, das Verhältnis zum autoritären Vater gestört. Fallada gilt als Sorgenkind, ist häufig krank, hat Schulprobleme und erfüllt in keiner Weise die Erwartungen, die die Familie mit ihm verknüpft. Mit Geld, das er vom Vater gestohlen hat, flieht er für kurze Zeit nach Hamburg. Er schafft keinen Schulabschluss, wird alkohol- und drogensüchtig und zeitweise in die Psychiatrie eingewiesen. Die kriminelle Karriere ist vorgezeichnet: Um sich Drogen zu beschaffen, unterschlägt Fallada Geld, wird verhaftet, verurteilt und 1925 für zweieinhalb Jahre inhaftiert.

Wie seine Romanfigur Willi Kufalt geht Hans Fallada nach der Haftentlassung nach Hamburg, wo er sich mit Gelegenheitsjobs mehr schlecht als recht durchschlägt. In Hamburg lernt er 1928 auch Anna Dissel kennen, die er im Jahr darauf heiratet. Zu dieser Zeit hat er bereits einigermaßen Fuß gefasst und Arbeit als „Adressenwerber“ und Lokalredakteur beim „Generalanzeiger“ in Neumünster gefunden.

Doch auf Dauer ist die Provinz nichts für ihn, 1930 wechselt der literarisch begabte Ex-Sträfling nach Berlin zum Ernst Rowohlt Verlag, wo sein schriftstellerischer Erfolg beginnt: 1931 erscheint der Roman „Bauern, Bonzen und Bomben“ und ein Jahr darauf „Kleiner Mann, was nun?“, ein Buch, das sofort zum Bestseller wird. Aus dem Versager Rudolf Ditzen ist der Erfolgsautor Hans Fallada geworden, Er fühlt sich wie Hans im Glück, entlehnt den Nachnamen seines Pseudonyms dem sprechenden Pferd aus einem Grimm-Märchen. Vom Honorar seines Erfolgsromans kauft er sich 1933 im mecklenburgischen Carwitz ein Anwesen, wo er mit seiner Familie zur Ruhe kommen will. Dort beendet Fallada seinen „Blechnapf“-Roman, der 1934 erscheint. Es ist die grandios erzählte Geschichte eines Scheiterns: Kufalt gelingt es nicht, ein neues Leben zu beginnen. Die Knast-Vergangenheit haftet ihm an, die bürgerliche Gesellschaft gibt ihm keine Chance, Ruhe findet er schließlich dort, wo er hergekommen ist: im Zuchthaus.

Da Fallada ahnt, dass die Nazis, die inzwischen an der Macht sind, die realistischen Schilderungen der sozialen Abgründe ablehnen werden, schreibt er im Vorwort vorsichtshalber, dass sich die Zustände unter den neuen Machthabern verbessert hätten. Nützen wird es ihm nicht, die Nazi-Zeitungen verreißen das Buch und diffamieren es als „Zuchthauspornografie“.

Fallada gibt sich nun unpolitisch, schreibt Unterhaltungsliteratur, versucht möglichst unauffällig zu sein. 1944 scheitert seine Ehe. Es wird immer schwerer für ihn, seine Sucht zu beherrschen. Er kommt zeitweise in eine psychiatrische Anstalt.

Nach Kriegsende erfährt Hans Fallada noch einmal Anerkennung. Er heiratet ein zweites Mal und wird kurzzeitig Bürgermeister von Feldberg. Im Jahr 1947 erscheint „Jeder stirbt für sich allein“, Falladas Abrechnung mit dem Nazi-Regime. Doch da ist der Autor%bereits gesundheitlich am Ende. Als%Literat genießt er Ansehen, als Mensch ist er gescheitert – genau wie Willi Kufalt, der Held eines seiner bedeutends8ten Romane.

Hellmuth Karasek meint

Am 12. Januar 1929, in der Nacht auf den 13. Januar, wurde in das Hamburger Juweliergeschäft Wempe eingebrochen, das seine Niederlassung in den Hamburger Alsterarkaden im Juli 1928, also im Glanz und Elend der „roaring twenties“, eröffnet hatte.

Der Einbruch war raffiniert und einfach zugleich, die Täter benutzten den Augenblick, als der Wächter das Gitter geöffnet hatte. Ein Stein, als Waffe in das Schaufenster geworfen, genügte. Die Beute, Schmuck im Wert von 30.000 Reichsmark, war beträchtlich. Die Tat ging durch die Presse, und der Schriftsteller Hans Fallada, Autor des wohl berühmtesten Arbeitslosenromans der Weltwirtschaftskrise von 1929, „Kleiner Mann, was nun?“, war davon so beeindruckt, dass er die Szene in seinen nächsten Roman einarbeitete.

Sein erster Weltbestseller spielte in Berlin. Der Roman „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“ spielt in Hamburg. Es ist ein Gefängnisroman, der das Scheitern der Resozialisierung des traurigen Helden Willi Kufalt schildert, eines literarischen Alter Egos Falladas. Ähnlich wie Alfred Döblin in seinem Großstadtroman „Berlin Alexanderplatz“ beschreibt Fallada den Abstieg seines Helden, der in seine Taten hineinschliddert, von raffinierten Ganoven verraten und verkauft wird.

Im Gefängnis resigniert er sarkastisch: „Fein, wenn man wieder zu Hause ist. Keine Sorgen mehr. Fast wie man früher nach Hause kam, mit Vater und Mutter. Fast? Eigentlich noch besser. Hier hat man seine Ruhe."