Berlin. In seiner schwarzen Komödie „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“ rechnet Radu Jude einmal mehr mit seinem Heimatland Rumänien ab.

„Die Autofahrer sind hier sehr aggressiv“, sagt die frisch aus Österreich eingeflogene Marketing-Managerin Doris Goethe (Nina Hoss) sichtlich irritiert über den rumänischen Straßenverkehr, durch die sie die sichtlich überarbeitete und ständig fluchende Produktionsassistentin Angela Raducanu (Ilinca Manolache) fährt.

„Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“: Land der billigen Arbeitskräfte

Ja, da treffen zwei Welten aufeinander, die Chauffeurin und die Chefin, und Regisseur Radu Jude, der mit seinem Film„Bad Luck Banging or Loony Porn“ 2021 den Goldenen Bären der Berlinale gewann, macht auch in seinem neuen Film „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“, der jetzt auf dem Streamingportal Mubi zu sehen ist, keinen Hehl daraus, wem seine Antipathien gehören.

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Die „Österreicher“ stehen dabei als Symbol für die zahlreichen westlichen Unternehmen, die sich Rumänien als Land der billigen Arbeitskräfte einverleibt haben.

„Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“: Verstümmelte Menschen in Videos

Und da ist es nur eine der bösen Volten des Regisseurs, dass er Angelas Produktionsfirma Werbefilme für mehr Arbeitsschutz drehen lässt - mit verstümmelten Menschen, die völlig übermüdet nach zahllosen Überstunden einen Arbeitsunfall hatten, und nun an das Tragen eines Helms appellieren.

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Das gibt dem Film in seinen stolzen 164 Minuten Dauer nicht nur die Gelegenheit, seine Protagonistin Angela durch den völlig verstockten Bukarester Verkehr fluchen und fahren zu sehen (was hübsch mit Ausschnitten aus einer grell bunten Dokumentation von 1981 über eine Taxifahrerin im entspannten Bukarest konterkariert wird).

„Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“: Karikatur der Tate-Brüder

Wir sehen nicht nur, dass diese Angela immer wieder auf Snapchat in eine Kunstfigur namens Bobita schlüpft, die unter einem Gesichtsfilter mit üblesten frauenfeindlichen Flüchen die Internet-Auswürfe der berüchtigten Instagram-Gebrüder Tate karikiert.

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Nein wir fahren auch mit Angela mitten ins tristeste Leben hinein, in graue Wohnblocks wo die Arbeitsverunfallten kurze Video-Statements abgeben, in der Hoffnung auf 500 Euro für eine Geschichte, die so oder völlig verfälscht irgendwann die Welt erreichen wird, während Doris Goethe im Luxushotel mal eben 1200 Euro in der Nacht vertrinkt..

„Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“: Thomas Bernhard und Uwe Boll

Weil die „Österreicher“, die lediglich per Zoom-Konferenz ihre kurzen Befehle abgeben, immer alles anders haben wollen. Sie dirigieren vom Heldenplatz, wie einer sagt, wie einst bei Thomas Bernhard, und Nina Hoss ist dabei ihr Gesicht.

Angela Raducanu (Ilinca Manolache) trifft als Instagram-Kunstfigur Bobita den deutschen Kultfilmer Uwe Boll. 
Angela Raducanu (Ilinca Manolache) trifft als Instagram-Kunstfigur Bobita den deutschen Kultfilmer Uwe Boll.  © ©4ProofFilm | ©4ProofFilm

Sie ist nicht der einzige deutsche Star in Rumäniens diesjährigem Oscar-Beitrag. Kultfilmer Uwe Boll darf sich leibhaftig an der Seite des üblen Bobita über seine Kritiker ärgern.

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Während Angela später Todeskreuze an den Straßen zählt, Gräber auf Friedhöfen wegen illegaler Bauten umgebettet werden müssen und Zigeuner aus dem Ausland imporierten Müll verbrennen.

Radu Jude verlacht diese höllischen Zustände in seiner schwarzen Komödie mit ihrem passenden Titel. Ja, „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“. Denn es könnte wie das Rumänien des Jahres 2024 aussehen.