Berlin. Der neue Fall ist ihr bester. Auch Franziska Weisz wird aus der Krimi-Reihe gestrichen. Schwerer Stand für TV-Ermittlerinnen?
Von allen „Tatort“-Ermittlerinnen war Heike Makatsch die seltsamste und glückloseste. Auf gerade Mal fünf Folgen hat sie es seit ihrem Einstand 2016 gebracht (die Regel ist mindestens eine pro Jahr). Zunächst ermittelte sie solo, in Freiburg. Aber das wurde nach nur einer Folge aufgegeben. Ihre Kommissarin Ellen Berlinger wurde nach Mainz versetzt, wo sie fortan mit dem Kollegen Martin Rascher (Sebastian Blomberg) ermittelte.
In ihrem fünften Fall fehlt der nun aber. Wo ist Rascher? Das fragt sich nicht nur der Zuschauer. Das fragt sich auch die Kommissarin. Doch der will einfach nicht aus einem Urlaub zurückkommen. Und wird, zu Berlingers Leidwesen, von einem jüngeren Besserwisser (Ludwig Trepte) ersetzt.
Auch Franziska Weisz muss den „Tatort“ verlassen - Zufall oder mehr?
Stimmt die Chemie nicht, örtlich wie zwischenmenschlich? Oder stand der Makatsch-Krimi einfach unter einem unguten Stern? Der fünfte Fall „Aus dem Dunkel“, der am Sonntag ausgestrahlt wird, ist jedenfalls der letzte. Ein halbes Jahr nach Drehschluss wurde im Juli überraschend verkündet, dass der SWR den „Tatort“ mit Heike Makatsch einstellt. Auch wenn es keine Bessere hätte geben können, wie der SWR-Programmdirektor Clemens Bratzler verlauten ließ. Wieso sie dann aber aufgeben? Grund sei die Inflation.
Man hätte auch an allen Enden ein bissel sparen können – der SWR produziert noch zwei weitere „Tatorte“, den in Ludwigshafen mit Ulrike Folkerts und den in Freiburg, wo Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner übernahmen. Stattdessen ein radikaler Schnitt. Und, sehr merkwürdig, kein Statement von der Geschassten. Kein einziges Wort über neue Herausforderungen oder gegenseitiges Einvernehmen, wie man das sonst gern hört. Das riecht nach Rausschmiss und verbrannter Erde.
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Nun wird der letzte Fall ausgestrahlt. Von dem beim Dreh noch keiner wissen konnte, dass es der letzte sein würde. Und der nun der stärkste der Berlinger-Krimis ist. Als habe man doch was geahnt und beweisen wollen, was in dieser Figur steckt. Auch ohne deren Kollegen, aus welchen Gründen auch immer er nicht mehr mitmacht. Und, auch das ist nicht ohne Ironie: In diesem letzten Fall geht es um Misogynie, um Hass und Gewalt gegen Frauen. Um einen Stalker, der Frauen verfolgt, sie um den Verstand bringt und zur freiwilligen Aufgabe, zum Sprung in die Tiefe, zwingen will. Das lässt seltsame Interpretationen zu. Noch dazu, wo der Täter aus den eigenen Reihen kommt.
In „Aus dem Dunkel“ springt gleich anfangs eine Frau vom Balkon. Ein Polizist hat sie noch in letzter Sekunde retten wollen. Berlingers Ersatz-Kollege traut diesem Thomas Engels (Andreas Döhler) jedoch nicht, weil der mal einen Menschen im Dienst erschossen hat. Und warum ist er überhaupt in die Wohnung der Toten eingedrungen? Engels aber bekundet, die Tote sei gestalkt worden. Wie vor Jahren eine Kollegin von ihm, was auch niemand geglaubt hat, bis sie getötet wurde. Engels hat seinen eigenen Dienstchef in Verdacht. Keiner traut keinem. Eisige Stimmung unter den Ermittlern.
Man weiß früh, wer der Täter ist, aber er kann nicht dingfest gemacht werden
Der Zuschauer weiß da schon etwas mehr. Und erlebt, wie schon das nächste Opfer gestalkt wird und perfide in die Verzweiflung getrieben wird. Julia Ritter (Susanne Wuest) hat keine Freunde, bei denen sie unterkommen könnte. Weshalb sich die Kommissarin selbst nachts bei ihr einquartieren muss. Bald weiß sie, wer der Täter ist. Und kann ihn, das ist das Gruseligste an dieser Folge, doch nicht verhaften, ja nicht einmal observieren, weil die Beweise nicht ausreichen. So kann der Täter munter weitermachen. Und schließlich wird auch Berlinger selbst gestalkt.
Regie führte Oscar-Preisträger Jochen-Alexander Freydank, ein Makatsch-Vertrauter, der mit ihr zuvor schon die Serie „Herzogpark“ (2022) und denARD-Film „Zero“ (2021) gedreht hat. Und er treibt seinen Star zu höchsten Leistungen, wenn Berlinger die Hände gebunden sind, sie dem Täter aber offen droht und sich damit selbst schadet. Freydank schafft eine unheimliche Atmosphäre zunehmender Anspannung. Und treibt das ohnehin nervenaufreibende Drehbuch von Jürgen Werner zusätzlich auf die Spitze, indem er die Kamera ständig in nervöser Bewegung hält. Damit sich auch der Zuschauer unsicher fühlt. Und immer wieder ist die Kamera so positioniert, als beobachte einer die ganze Zeit die Kommissarin bei ihrer Arbeit.
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Das ist dann wirklich eine unheimliche Parallele. Oder Vorahnung? Womöglich hat auch Heike Makatsch seit längerem unter Beobachtung gestanden beim SWR. Weil sie ihren Einstieg beim „Tatort“, dem heiligen Kalb der ARD, ja erst mal nur als Experiment betrachtete, dann offen ließ, ob sie weitermacht, und zwischen ihren Fällen große Pausen setzte. Das Zerwürfnis ist wohl endgültig, die Beziehung zerrüttet. Zur letzten Folge wurden der Presse vorab Interviews mit dem Regisseur und den Darstellern angeboten. Nur nicht mit der Makatsch, die wegen „intensiver Dreharbeiten“ nicht zur Verfügung stand.
Auch die Figur von Franziska Weisz wird gestrichen. Die Figur sei „auserzählt“
Zufall oder mehr? Erst vor zwei Wochen wurde ähnlich schmallippig das Aus einer weiteren „Tatort“-Kommissarin, Franziska Weisz, erklärt. Die Worthülsen ähneln sich. NDR-Fiction-Chef Christian Granderath bedankte sich herzlich bei der Schauspielerin für ihre 13 Fälle, in denen ihre Figur eine spannende Entwicklung durchlaufen habe, bekundete aber zugleich trocken, die Rolle sei nun „auserzählt“. Weshalb Wotan Wilke Möhring in Norddeutschland erst mal allein weiter ermittle, bis eine neue Partnerin gefunden wird. Auserzählt? Wieso darf dann aber Möhring weitermachen, der nach Petra Schmidt-Schaller schon die zweite Partnerin verschlissen hat?
Gibt es womöglich eine latente Misogynie in der ARD? Es fällt schon auf, dass unter den sich merkwürdig häufenden „Tatort“-Ausstiegen der letzten Zeit sich besonders viele Frauen befinden: Nach Anna Schudt in Dortmund und Meret Becker in Berlin hat nun auch Karin Hanczewski ihr baldiges Aus in Dresden verkündet. Und Verena Altenberger warf erst im Juni nach nur fünf Folgen „Polizeiruf 110“ in München hin. Hier ist immer von neuen künstlerischen Aufgaben die Rede. Aber hinter dem Sonntagskrimi scheint es noch einen anderen Krimi zu geben.