Berlin. Wenn eine Diva ihr Alter nicht akzeptieren will: Die finnische Komödie „70 ist auch nur eine Zahl“ behandelt sensibel das Älterwerden.
„70 ist das neue 30“, sagt Seija Kuula (Hannele Lauri) selbstbewusst – und steckt in einer sehr schwachen Minute in einer Bar den Finger eines gut aussehenden Mittdreißigers in den Mund. Nun, dass Seija Probleme mit dem Alter hat, mag man der Diva verzeihen. Schließlich lebt die äußerst erfolgreiche Schlagersängerin in einer abgeschotteten, alterslosen Welt mit Glitter, Fans und schönen Roben.
Aber so einfach, wie sie abends ihre Perücke abnimmt und in ein sehr einsames Bett steigt, kann sie das andere, wahre Leben einfach nicht ablegen. Das wird ihr gleich mehrfach klar, als sie eine Beziehung mit dem 30 Jahre jüngeren Gitarristen Lauri (Mikko Nousiainen) eingeht.
„70 ist auch nur eine Zahl“: Last der Leihmutterschaft
Nicht nur, dass sich dessen Mutter Mirre (Marja Packalén) als alte Freundin entpuppt, deren eher negativ geprägte 70 Jahre sich in ihr unscheinbares Gesicht gezeichnet haben. Und als Lauri unbedingt ein Kind will, organisiert Alleskönnerin Seija schnell eine Leihmutter für ihren Lover, um wirklich alle zufriedenzustellen. Wie sie es seit Jahrzehnten mit ihrem Publikum macht, dessen Liebe ihr Leben ist.
Regisseurin Johanna Vuoksenmaa hat mit „70 ist auch nur eine Zahl“ eine vielschichtige Komödie über das Älterwerden gedreht. Während sie die turbulente Leihmuttergeschichte mit deftigem Humor würzt (inklusive Eisprung-Ansage via Handy und heftig wackelndem Wohnwagen auf einem Mittsommerfestival), gerät die Wiederbegegnung zweier alter Freundinnen zu einem fast melodramatischen Austausch über die unterschiedlichen Wege im Leben und die Chancen, die sich auch im fortgeschrittenen Alter auftun.
„70 ist auch nur eine Zahl“: Diva mit tragischem Potenzial
Schön bricht sich hier der Charakter der vom finnischen Schauspielstar Hanneli Lauri überzeugend verkörperten Diva, bei der es einfaches wäre, ihren Kampf gegen das Alter lächerlich zu machen. Nein, ihre Figur besitzt tragisches Potenzial, aber genug Optimismus, um unscheinbare Menschen wie Mirre mitzureißen.
Und so ist dieser Film wie ein guter alter Schlager: kitschig, krachledern und sentimental. Ein bisschen tiefgründig wie in den stillen Strophen und dann voller Lebenslust im frohen Refrain, der so verlässlich kommt wie der nächste Geburtstag. Dessen wahre Zahl anzunehmen, ist wahrscheinlich dann die größte Leistung.