Viel zu lang. Viel zu zynisch. Und einfach traurig. Der vierte und hoffentlich letzte „John Wick“ ist seelenloses Männerkino.
Traue nie dem Moment, in dem es endgültig vorbei sein soll. Vor allem nicht im Kino. Siehe „John Wick“. Was als kurzer Actionfilm begann und auch eine Parodie auf das bärbeißige Genre des Rächerfilms war, wuchs sich zur Trilogie aus, deren Teile immer länger wurden. Mit Teil 3 sollte 2019 wirklich Schluss sein. Aber, nun ja, der Film hat viel Geld gemacht. Und Keanu Reeves gefällt sich in der Rächerfigur. Deshalb gibt es doch noch ein „Kapitel 4“. Und die Schlachteplatte walzt sich diesmal sogar auf drei endlose Stunden aus.
Auch wenn es kaum Handlung gibt, für Neueinsteiger ist die Story schwierig. Einst war John Wick ein ehrenwerter Killer im Ruhestand, der um seine Frau trauerte. Aber dann wurde sein Auto gestohlen und sein Hund getötet. Das Letzte, was ihm von seiner Frau blieb. Da wurde der Pensionär böse. Und holte die Waffen wieder aus dem Keller. Wir lernten, dass Killer einen Ehrenkodex und eine Hohe Kammer haben. Und dass es mitten in New York ein elitäres Hotel gibt, in dem die Branche absteigt, um ihr blutiges Geschäft zu verrichten.
Die Filme sind ein einziges Hauen und Stechen, bei dem Mister Reeves stets Anzug und Krawatte trägt. In Teil 3 hat er eigentlich alle Killer dieser Welt getötet. Aber wie das bei Fortsetzungen halt so ist: Jetzt wird die Hohe Kammer von einem neuen Schurken, dem bübischen Marquis (Bill Skarsgård), übernommen, das Hotel in New York wird abgerissen. Weshalb Wick in ein anderes flüchtet, nach Osaka.
„John Wick: Kapitel 4“ wurde zu Teilen in Deutschland gedreht
Teile des Films wurden in Berlin gedreht, wobei die Alte Nationalgalerie als Tanz- und Lasterhöhle herhalten muss. Der größte Teil spielt in Paris. Hier soll ein Zweikampf zwischen Wick und dem Marquis das ewige Blutvergießen beenden. Endlich was Neues, denkt man. Von wegen: John Wick muss dafür erst mal zur Kirche Sacré-Cœur gelangen. Und da stellen sich ihm Hundertschaften in den Weg.
Keanu Reeves war mal ein Charakterschauspieler. Lange vorbei. Jetzt ist er nur noch Kampfkünstler. Mit seinen 58 Jahren dürfte ihm das allmählich schwerfallen. Das mag die starre Mimik erklären. Ansonsten wird wieder brutalstmöglich getötet. Und noch mal extra in den Kopf geschossen. In Teil 3 gab es immerhin Frauenverstärkung. Kapitel 4 ist wieder Männerkino pur. Und natürlich steht Wick immer wieder auf. Auch wenn er, die unfreiwillig komischste Szene, alle 237 Stufen zur Basilika Sacré-Cœur herunterfällt.
Ein Filmkritikerkollege wollte den Bodycount zählen, gab aber schon nach wenigen Minuten auf. „Kapitel 4“ ist ein einziger seelenloser Werbespot für das, was Stuntmen leisten können. Aber viel zu lang. Viel zu zynisch. Und einfach traurig. Immerhin: Mit diesem Kapitel wird das Buch zugeschlagen. Nun soll endgültig Schluss sein. Aber wer weiß: Wenn der Film wieder ein Hit wird ...
„John Wick – Kapitel 4“, ab 18 J., 170 min., läuft in den Cinemaxx- und den UCI-Kinos und im Hansa Filmstudio