Hamburg/Berlin. 2022 ist das Berliner Ensemble 50 Jahre alt geworden, mit seinem Jubiläumsprogramm kommt es am 2. Januar nach Hamburg.

Ludwig Quandt kommt gerade von einer Probe der quirligen Art. 24 Cellisten waren in der Berliner Philharmonie dabei, zwölf davon Kinder und zwölf Große – letztere nennen sich Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker. 2022 ist das Ensemble 50 Jahre alt geworden, mit seinem Jubiläumsprogramm kommt es am 2. Januar in die Elbphilharmonie. Quandt ist Solocellist der Philharmoniker und künstlerischer Leiter des Ensembles.

Hamburger Abendblatt: Herr Quandt, auf einem der Ensemblefotos sind nicht zwölf, sondern 13 Cellisten zu sehen. Hatten Sie sich da verzählt?

Ludwig Quandt: Wir sind sogar 14, aber wir treten nur zu zwölft auf.

Das bedeutet, wer zur Cellogruppe der Philharmoniker gehört, gehört automatisch zum Ensemble?

Ludwig Quandt: Ja. Wir sind froh, dass wir 14 sind, weil immer mal jemand nicht kann oder krank ist. Manchmal müssen wir auch mit Aushilfen spielen.

Wie findet denn das übrige Orchester das, wenn die Celli ausschwärmen?

Ludwig Quandt: Das Orchester sollte eigentlich nichts davon merken. Wenn wir mal fehlen würden, hätten wir ein Problem.

Bassklarinette und Tuba haben sicher öfter dienstfrei als die Cellogruppe, die so gut wie in jeder Besetzung gebraucht wird.

Ludwig Quandt: Das ist das Problem. Deswegen haben wir nur wenige Termine. Wenn der normale Betrieb läuft, liegt manchmal nur ein Tag zwischen den Programmen. Damit kann man nichts anfangen.

Wird das beäugt, wenn eine Gruppe so intensiv zusammen ist?

Ludwig Quandt: Es kann schon sein, dass der eine oder andere Kollege eifersüchtig ist. Wenn wir auf Tournee sind, hat das Orchester nach einem Interkontinentalflug seinen tariflich gesicherten freien Tag. Und die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker nutzen den dann schon mal. Da sagt vielleicht mal jemand, ach, die schon wieder! Das ist menschlich. Es ist aber ausdrücklich erwünscht, dass wir Kammermusik machen und uns auch außerhalb des Orchesters entfalten. Jeder Kollege hat irgendeine Formation, ob Jazzcombo oder Brassband oder Streichquartett.

Wer macht denn bei den 12 Cellisten die Programmplanung?

Ludwig Quandt: Die mache ich. Ich scanne auch Noten ein. Ich habe viele Abende vor dem Kamin gesessen und ein Blatt nach dem anderen durch meinen kleinen Scanner geschoben.

Und dann teilen Sie die Planung den anderen einfach mit?

Ludwig Quandt: Neue Projekte diskutieren wir schon intensiv. Wir haben Tango gemacht und Filmmusik, Jazz und Blues. Aus diesem Repertoire schöpfen wir, neben den Originalkompositionen, die wir über die Jahre in Auftrag gegeben haben.

Für zwölf Stimmen zu schreiben stelle ich mir ganz schön komplex vor.

Ludwig Quandt: Das ist für die Komponisten eine extreme Herausforderung. Das Instrument Cello kennen sie meistens ganz gut, aber eben nicht, dass das ganze Ensemble aus Celli besteht. Das ist reizvoll.

Wolfgang Rihm, Arvo Pärt und Iannis Xenakis haben schon für Sie geschrieben, um nur einige Namen zu nennen. Schwergewichte der Neuen Musik. Ihr Hamburger Programm ist dagegen eher leichte Unterhaltung, mit vielen hübschen Nummern. Wie bekommen Sie das zusammen?

Ludwig Quandt: Das ist unser Jubiläumsprogramm, daher der Revuecharakter. Es sind Stücke aus der Gründungszeit dabei wie „Aubade“ von Jean Françaix. Und dann machen wir Highlights aus den 50 Jahren. Da muss man natürlich aufpassen, dass man sich nicht zu sehr wiederholt.

Gibt es innerhalb der Gruppe eigentlich eine Rangordnung wie im Orchester?

Ludwig Quandt: Bei dem älteren Repertoire ist es noch etwas konventioneller. Da haben immer dieselben Leute die Oberstimmen gespielt. Irgendwann haben die anderen gemosert: Wir haben hier nichts zu tun, wir machen nur bumm bumm bumm. Dann wurden die Stimmen zerschnipselt. Aber das konnte man mit den Partituren natürlich nicht machen. Wenn wir die Tontechnikern geben, dann sind die heillos verwirrt, weil sie nicht nachvollziehen können, wer gerade was spielt.

Gelebte Demokratisierung!

Ludwig Quandt: Heute sind im Prinzip alle gleichberechtigt.

Das heißt, jeder übernimmt mal die Funktionen Bass, Mittelstimme, Melodie?

Ludwig Quandt: er natürlich gehen alle mal hoch.

In Hamburg spielen Sie auch „Twelve Angry Men“, das der frühere philharmonische Bratscher Brett Dean für Sie geschrieben hat. Wieso eigentlich nur zornige Männer? Werden die beiden Kolleginnen denn nie zornig?

Ludwig Quandt: Das Stück hat er zum 25. Jubiläum geschrieben, das war 1997. Damals gab es noch keine Frau in der Cellogruppe.

Aber das war doch 15 Jahre nachdem sich das Orchester für Frauen geöffnet hatte?

Ludwig Quandt: Der Generationswechsel vollzieht sich bei uns nur sehr langsam. Fast alle bleiben Jahrzehnte. Das hier ist Endstation Sehnsucht für Orchestermusiker.

Die 12 Cellisten der Berliner
Philharmoniker
Mo 2.1., 16.00 und 20.00, Elbphilharmonie (Großer Saal), Karten: elbphilharmonie.de