Hamburg. „Wie alles begann. Von Galaxien, Quarks und Kollisionen“ ist eine spannende Familienausstellung im Museum der Arbeit.

Das Timing der Sonnenfinsternis am Dienstagmittag – pünktlich zur Eröffnung der Ausstellung „Wie alles begann. Von Galaxien, Quarks und Kollisionen“ – hätte wirklich nicht besser sein können. Denn im dritten Stockwerk des Museums der Arbeit dreht sich in den kommenden Monaten alles um „unsere Faszination des Universums. Und die möchten wir mit den Besucherinnen und Besuchern teilen“, sagt Erika Garutti. Die Teilchenphysikerin ist Sprecherin des Exzellenzclusters Quantum Universe. Dort forschen rund 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg und des Forschungszentrums Desy zu den offenen Fragen rund um den Ursprung und die Entwicklung des Weltalls.

Und davon gibt es natürlich eine Menge: Wann hat der Urknall stattgefunden? Gibt es eine Ordnung im Universum? Wie viele Sterne gibt es? Woraus besteht Materie, und was ist „Schwarze Materie“? Sind wir allein im Weltall? Teilchenphysik, As­troteilchenphysik, Kosmologie – die Ausstellung, die ursprünglich von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Naturhistorischen Museum in Wien entwickelt wurde, will die Erkenntnisse und die Arbeitsweise dieser Spitzenforschung nachvollziehbar, etwas Unvorstellbares wie das Weltall begreifbarer machen.

Staunen über einen 50.000 Jahre alten Meteoriten

„Und vielleicht sogar einige kleine Physikerinnen und Physiker hervorbringen“, so Garutti in Richtung der Schülerinnen und Schüler, die an diesem Tag im Rahmen des Projekts Kunstpioniere dabei sind. Und die sind auch gleich voll bei der Sache: Wollen wissen, ob die Forscher auch schon mal im All unterwegs waren, was das für ein gigantisches Gerät ist, das als Foto an einer großen Wand prangt und was überhaupt Quarks sind (Auflösung: Auf dem Foto ist der CERN-CMS-Detektor abgebildet; mit dem Teilchenbeschleuniger werden kleinste Bauteile der Materie untersucht, unter anderem sogenannte Quarks, die direkt nach dem Urknall entstanden sein sollen).

Bevor es auf den Abenteuer-Parcours und damit auf Zeitreise vom 13,8 Milliarden Jahre zurückliegenden Urknall bis heute geht, wird über das älteste Exponat im Raum gestaunt: ein 91 Kilogramm schwerer Eisenmeteorit, der vor etwa 50.000 Jahren in die Erdatmosphäre eintrat und im Canyon Diablo (Arizona, USA) aufprallte. Vermutlich stammte dieses erhaltene Fragment aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter.

Teleskope und Teilchenbeschleuniger bringen Licht ins Dunkel

Wie es möglich ist, soweit in die Geschichte des Universums zurückzublicken? „Dadurch, dass das Universum durchsichtig wurde“, erklärt Gudrid Moortgat-Pick, ebenfalls Teilchenphysikerin bei Quantum Universe. Dies geschah rund 380.000 Jahre nach dem Urknall, als es zwar im Universum noch sehr heiß, aber kühl genug war, dass sich aus bis dahin frei herumfliegenden Elektronen, Neutronen und Protonen neutrale Atome bilden konnten. Und so entstanden auch Lichtteilchen, die durch die Materie drangen und Teleskopen die Möglichkeit gaben, ins Universum zu blicken. Für die „dunkle“ Zeit davor wurden Teilchenbeschleuniger entwickelt.

So viel geballte Forschung und Technik könnte schnell ermüden. Damit das nicht passiert, hat Kurator Virgil Guggenberger spielerische Elemente eingebaut. So kann man etwa mit Protonen Fußball spielen und Kollisionen verursachen oder händisch die Beschleunigung von Atomen betreiben. Und es wurde ein ganzes Kapitel über die Arbeit der Hamburger Wissenschaftler eingebaut. Sie erzählen aus ihrem Alltag, der sich eher weniger im Weltall, sondern viel vor dem Computer abspielt. Oder, wie im Fall von Christian Schwanenberger, im Austausch mit Künstlerinnen und Künstlern besteht. Der Teilchenphysiker bei Desy hatte schon 2017 mit 15 Kreativen zur „Schwarzen Materie“ gearbeitet. Fünf von ihnen sind nun auch an „Wie alles begann“ beteiligt; ihre Werke machen die Ausstellung auch ästhetisch zu einem großen Vergnügen.

Ein Puzzle steht für die Unendlichkeit des Weltalls

Julia Münstermanns Tuschearbeiten mit dem Titel „Entropy“ erinnern an schwarz-weiße Aufnahmen leistungsstarker Weltraumteleskope. Jan Köchermann nahm die Geschichte des heute vergessenen Teilchenphysikers Hubertus M. Frassek zum Ausgangspunkt einer eigenen Forschungsreise auf dem Desy-Gelände. Dazu baute er, ebenso wie Frassek, einen Unimog mit Auffangtrichter, um die Existenz Schwarzer Löcher zu beweisen. Marcel Große baute aus Labor- und Klempnerei-Utensilien einen eigenen „Beschleuniger“, der verschiedene Farben durch einen Druckluftbehälter aufeinanderprallen lässt und auf diese Weise fantastische Gemälde erzeugt.

Jana Schumacher entwickelte ein Puzzle aus unzähligen schwarzen Teilchen, die das Publikum auf schier endlose Weise zusammensetzen kann – als Analogie auf die Unendlichkeit des Universums. Tanja Hehmann schließlich ordnet die Bilder ihrer Installation „Beendigungsanfänge“ wie in einer Kathedrale an und thematisiert so die ewigen Kreisläufe vom Werden und Vergehen. Auch das Rahmenprogramm zur Ausstellung greift spannende Aspekte auf, etwa Symmetrien von Physik und Musik oder „Teilchenphysik für alle“.

„Wie alles begann. Von Galaxien, Quarks und Kollisionen“ bis 4.4.2023, Museum der Arbeit (U Barmbek), Wiesendamm 3, Mo 10.00–21.00, Mi–Fr 10.00–17.00, Sa/So 10.00–18.00, Eintritt 8,50/5,- (erm.), www.shmh.de