Hamburg. In Hamburg wurde der „Megafon-Preis“ von der Joachim Herz Stiftung vergeben. Sasa Stanišić erzählte über Sprachlosigkeit.

Dass die deutsche Sprache Brücken schlägt, ist leicht gesagt. Leicht gesagt ist es, wenn man jeden Zugang zu ihr hat und mit ihr aufgewachsen ist. Wenn es ganz selbstverständlich ist, für das, was sich in den Gedanken formt, Worte zu finden. „Eine Sprache verstehen“ meint mehr als grammatikalische Kenntnisse oder einen Wortschatz zu besitzen – es heißt, sich frei bewegen, einander begegnen, sich behaupten, mitreden und gestalten können. Aber was ist, wenn die deutsche Sprache eine fremde Sprache ist? Dann wird deutlich, wie sehr die Sprachkompetenz über Teilhabe und Nicht-Teilhabe in der Gesellschaft entscheidet, über Persönlichkeitsentwicklung und über Chancen auf dem Bildungs- und Berufsweg.

Nach dem aktuellen Bildungsbericht verlässt jeder fünfte junge Mensch die Schule ohne ausreichende Lese- und Schreibfertigkeiten. An diesem Punkt setzt der „Megafon-Preis“ von der Joachim Herz Stiftung an. Die Auszeichnung für herausragendes Engagement in der Sprachförderung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurde am Freitag im Opernloft Altona zum zweiten Mal vergeben und unterstützt innovative Ideen, die weit über den Deutschunterricht hinausgehen. Aus 40 Bewerbungen aus ganz Deutschland sind vier Initiativen ausgewählt, die in zwei Kategorien je einen mit 25.000 dotierten Hauptpreis und einen mit 10.000 Euro dotierten Förderpreis empfangen.

Teilhabe fehlt: Sasa Stanišić erzählte über Sprachlosigkeit

Zwei Ideen aus Hamburg sind unter den Preisgekrönten. Das Literaturhaus Hamburg gewinnt in der ersten Kategorie (Angebote für 10- bis 16-Jährige) mit dem Projekt „Schulhausroman“ den Förderpreis. Hier besucht ein Autor oder eine Autorin eine Schulklasse über mehrere Monate hinweg und unterstützt sie, einen eigenen Roman zu schreiben. Vom ersten Satz über den Titel und die Arbeit in der Schreibwerkstatt bis zur Lesung im Literaturhaus werden die Heranwachsenden von den Schriftstellern geleitet. Es ist ein literarisch-kreatives Angebot für Stadtteilschulen und besonders für diejenigen Schüler, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben.

Den Hauptpreis erhält „Mission Klinik“ in der Kategorie für junge Erwachsene (17- bis 25-Jährige) mit dem Projektträger „passage Hamburg“. Die Idee: ein digitaler Escape Room zur Sprachförderung in der Pflege. Der animierte Raum mit Aufgaben unterstützt auf spielerische und realitätsnahe Art dabei, sich mit dem Arbeitsalltag in einer Klinik vertraut zu machen. Diese Innovation, die ein sprachförderliches und praktisches Lernen vereint, entstaubt bisherige Herangehensweisen und ist als App oder online verfügbar.

Saša Stanišić erzählt von einer ganz persönlichen Verbindung

Höhepunkt der Veranstaltung ist die Festrede „Es gibt kein Wort für alle Wörter“ von Erfolgsautor Saša Stanišić, der selbst als 14-Jähriger mit seinen Eltern aus Bosnien geflohen war und in ein Land kam, in dem für ihn alles fremd klang. Er erzählt von seiner ganz persönlichen Verbindung, der Bedeutung von Sprachförderung und zeichnet seinen eigenen Weg vom stummen Schüler zum sprachgewandten Schriftsteller nach.

Es gibt kein Wort für das Gefühl vom Eiswagen um die Ecke oder das Gefühl von Nebelhörnern an einem Herbstmorgen. Aber „es gibt ein Wort, es heißt: Sprachlosigkeit“, so Stanišić. Diese Sprachlosigkeit ist ein Ort, „ein Ort abseits der Worte, von Grenzen umzäunt“. Die Projekte, die heute ausgezeichnet würden, könnten ein Wegweiser hinaus aus der Sprachlosigkeit sein. Das habe mit Menschen zu tun, die jungen Erwachsene „vor Ziele und Aufgaben stellen“, anstatt sie „der Ziellosigkeit und dem Aufgeben“ zu überlassen. So schließt er: „Es gibt kein Wort für alle Wörter. Aber es gibt ein Wort – es fällt mir gerade nicht ein – für das verwirrende Glück, jemandem wichtig zu sein.“